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Reisebericht: Azoren bis Irland

Ein Bericht geschrieben von Jan.

Dienstag, der 16.07.2024

Tag 1

Es ist 11:00 in Praia Vitoria auf der Insel Terceira, Azoren. Der Motor schnurrt und der Anker hebt sich. Wir fahren mit dem Bug in den Wind um das Großsegel zu setzen. Los geht’s. 

1056sm liegen zwischen uns und unserem Ziel Irland. Die Vorhersage ist nicht ganz so gut wie erhofft. Unter Seglern sagt man, wenn sich das Azorenhoch stabilisiert habe, sei der Wind optimal um nach Irland oder England zu segeln. Nur ist in den letzten Wochen und in naher Zukunft kein stabiles Azorenhoch in Sicht. Naja, nützt ja nichts. Die Vorhersage verspricht am zweiten Tag Gegenwind und anschließend mal mehr mal weniger Wind von der Seite oder von hinten. Wir rechnen mit einer neun-zehn-tägigen Überfahrt. Aktuelle Wetterdaten rufen wir einmal täglich über unser Satellitentelefon ab. Außerdem sind wir nicht alleine auf dem Meer. Manu und Mareike von der Segelyacht Tärna setzen auch den Kurs Richtung Irland. Wir haben uns verabredet mehrmals am Tag über Funk in Kontakt zu bleiben. Das gibt uns ein Gefühl von Sicherheit. 

Am ersten Tag ist der Wind noch relativ böig und schwach bis wechselhaft, sodass uns nicht langweilig wird. Wir haben drei Möglichkeiten unser Boot zu steuern. Da wäre die Windfahne, die die Kraft des Windes mithilfe eines Servoruders in einen Steuerbefehl umwandelt. Das Ganze funktioniert ohne Strom. Essentiell dafür ist genügend Wind. Bei leichteren Winden ist der Steuerbefehl nicht immer ausreichend. Da kommt dann unser elektrischer Autopilot „Raygina“ ins Spiel. Raygina kommt hingegen nicht mit viel Wind bzw. Welle zurecht und kann somit nur bei leichtem Wind oder Flaute eingesetzt werden. Somit sollte das eine Steuersystem die Schwächen des anderen ausgleichen. Dann wäre da noch die dritte Option – per Hand steuern. Abgesehen von den Segelmanövern versuchen wir unsere Kräfte zu schonen. So eine Überfahrt ist meistens schon anstrengend genug. 

Unsere Windfahne will noch nicht so richtig wie wir wollen. Erst abends gegen 22:00 zum Schichtwechsel läuft es endlich. Ich (Jan) gehe nun schlafen, bevor ich gegen 02:00 wieder übernehme. Alle 4 Stunden ist Wachwechsel. Katjas Schicht verläuft recht ruhig. Die Windfahne steuert und hinterm Boot ist helles Meeresleuchten zu sehen. In unserer Bugwelle und im Kielwasser tanzen hell leuchtende Pünktchen durchs Wasser. Ich übernehme die Wache und freue mich, dass die Windfahne funktioniert. Im Laufe der Schicht dreht der Wind. Ich stelle viel an den Segeln und an der Windfahne ein. Doch das Boot läuft immer wieder aus dem Ruder. Das grenzt an Meuterei! Meine Schicht ist gleich zu Ende. Vielleicht hat Katja mehr Erfolg.

2. Tag, Mittwoch

Tagesetmal: 104sm (in den letzten 24h)

Seit Azoren: 104sm

Bis Irland: 952sm

Der Wind pustet mit guten 20 Knoten Wind von vorne. Das Großsegel ist im zweiten Reff und auch die Genua schaut nur noch ein bisschen heraus. Wir kreuzen auf, kommen aber nur schleppend voran. Die Welle kommt auch von vorne. Alles schaukelt und ruckt. Selbst die kleinsten Aufgaben wie Zähne putzen werden zur Herausforderung. Gegen Mittag kommt das erste Wetterupdate von Katjas Papa. Die erwartete Flaute kommt wohl statt dieser Nacht erst nächste Nacht. Also weiter durchhalten. Wir holen die Genua ganz ein und setzten unsere Fock (kleineres Vorsegel). So läuft unsere Walda etwas besser durch die ruppige See. Wir schaffen nun an der Kreuz 4 Knoten Geschwindigkeit. 

Am Nachmittag entdecken wir in den Wellen eine Delfinschule mit kleinen Babydelfinen. Sie schwimmen kurz neben unserem Boot her, bevor sie wieder in den Wellen verschwinden. Das ist definitiv unser Highlight des Tages und muntert uns etwas auf.

3. Tag, Donnerstag

Tagesetmal: 59sm (in den letzten 24h)

Seit Azoren: 163sm

Bis Irland: 893sm

Am Vormittag lassen der Wind und die Welle etwas nach, sodass wir das Großsegel vom zweiten Reff ins erste Reff ausreffen (Segelfläche etwas vergrößern). Auch die Fock wird wieder durch die Genua ersetzt (größeres Vorsegel). Die Bootsbewegungen werden angenehmer. Der Wind flaut immer weiter ab, sodass wir gegen 12:20 den Motor dazu holen. Nach ca. einer Stunde ist wieder genug Wind, dass die Segel nicht mehr flattern. Motor aus. Die Sonne kommt raus und unsere Stimmung steigt merklich. Wir nutzen das schöne Wetter und duschen im Cockpit mit unserer Solardusche. Das tut gut. Abends gibt es Spaghetti mit vegetarischer Bolognese – lecker!

In meiner Abendschicht schalte ich (Jan) wieder den Motor an. Ich spiele etwas mit der Seekarte auf dem Handy und der Connection zum Plotter herum. Auf einmal ist die Seekarte auf dem Plotter grau hinterlegt statt weiß wie sonst. Mh, mist… 

Bei unserer Funkrunde gegen 22:00 mit der Tärna einigen wir uns darauf, dass wir beide die gleichen Wegpunkte abfahren, damit wir uns nicht verlieren. Beim Aufkreuzen gestern waren wir nämlich schon kurz außer Funkreichweite. Zum Glück haben wir uns nach einer Wende und einigen Stunden später wiedergefunden. So ein Ozean ist ganz schön groß. Das nächstgelegene Land ist inzwischen der Meeresboden bei einer Wassertiefe von ca. 4km. 

Die Nacht bleibt ruhig und der Autopilot steuert bis in die frühen Morgenstunden. Gegen 05:00 ist der Wind soweit aufgefrischt, dass der Autopilot Mühe hat den Kurs zu halten. Es wird schon langsam hell und ich versuche mich am Einstellen der Windfahne. Diesmal läufts! Daumen drücken, dass es so bleibt. 

4. Tag, Freitag

Tagesetmal: 111sm (in den letzten 24h)

Seit Azoren: 274sm

Bis Irland: 782sm

Wir frühstücken lecker Brot und stellen fest, dass wir uns so langsam an das Leben auf See gewöhnen. Wind und Welle bringen uns Meile für Meile näher an Irland heran. Um 17:03 funkt uns unerwartet die Tärna an. Sie hatten gerade eine Kollision mit einem Gegenstand im Wasser – vermutlich einem Baumstamm. Sie checken nun alles und melden sich wieder, wenn sie genaueres wissen. Kurze Zeit später kommt die Entwarnung. Sie können keinerlei Schäden, geschweige denn Wassereinbruch, am Bug feststellen. Nach einem kurzen Schrecken kann die Fahrt also weitergehen. 

Es ist 18:30. Ich schaue in meiner Schicht aufs Wasser und lasse die Gedanken fliegen. Katja hat sich unter Deck hingelegt. Dass das Segelleben nicht nur Sonnenschein ist, erlebe ich heute so intensiv wie noch nie. Ich habe Hunger, fühle mich aber gleichzeitig satt. Ich bin wütend, aber weiß gar nicht warum oder worauf. Ich fühle mich schlapp und seekrank, richtig schlecht ist mir aber nicht. Gott sei Dank ist Katja heute sehr gut drauf. Das hilft mir sehr und so helfen wir uns gegenseitig in den schwierigeren Momenten!

Im Laufe der Nacht wird der Wind wie erwartet immer weniger. In den frühen Morgenstunden hole ich das Vorsegel ein und starte den Motor. Gegen 08:00 entdeckt Katja in ihrer Schicht ein helles Objekt backbord voraus. Sie passt den Kurs etwas an um eine Kollision zu vermeiden. Schwer zu sagen was das war. Es schwamm knapp unter der Wasseroberfläche und ist ca. 2m im Durchmesser. Ein bisschen Glück muss man auch mal haben. Ich will gar nicht wissen, an wie vielen Objekten wir schon (vor allem nachts) vorbeigefahren sind, ohne etwas zu merken…

5. Tag, Samstag

Tagesetmal: 106sm 

Seit Azoren: 380sm

Bis Irland: 676sm

Gegen Mittag piept das Satellitentelefon und die aktuelle Wettervorhersage trudelt ein. Die nächsten 18 Stunden bleibt der Wind leicht bis quasi nicht existent. Der Motor rumort unter Deck. Die Welle ist sehr niedrig und man kann sich gut an Bord bewegen. Wenn da nicht der nervige Motor wäre, könnte man fast vergessen, dass wir mitten auf dem Atlantik sind. Ich habe die Dusche vorbereitet. Wenn Katja gleich wach ist, wird mal wieder geduscht 😉

Seit ca. einer Stunde fahren wir wieder mit Sichtkontakt zur Tärna. Bei gutem Wetter können wir die Tärna bis zu einem Abstand von 5sm noch sehen. Zum Wachwechsel um 14:00 funken wir mit den beiden. Nach Wegpunkten zu steuern war eine gute Idee. Die Stimmung ist auf beiden Booten gut. Die Tärna berichtet sogar von einer Orca-Sichtung. Im Gegensatz zu den Orcas an der portugiesischen Westküste sind die Orcas hier in der Gegend friedlich und zischen nach einem guten „Hallo, hier bin ich!“ wieder ab. 

Der restliche Tag verläuft ruhig. In meiner Abendschicht stelle ich fest, dass ich heute seit 6 Monaten Nichtraucher bin. Ansonsten ist nicht viel passiert. Es gab Käse-Tortellini zum Abendessen. 

Beim nächtlichen Wachwechsel um 02:00 entscheiden wir uns dazu das Großsegel wieder zu setzen. Der Wind wird langsam wieder mehr. Katja übernimmt das Steuer und ich gehe nach vorne zum Mast um das Segel hochzuziehen. Katja steuert den Bug in den Wind, damit kein Druck im Großsegel ist und ich es somit einfacher habe. Doch das Boot dreht durch den Wind durch und fährt weiter im Kreis. Ich schaue nach hinten und höre von Katja, dass sie keine Steuerwirkung mehr hat. Katja dreht am Steuerrad doch der Befehl wird nicht auf das Ruderblatt übertragen. Wir sind manövrierunfähig. Das Segelsetzen muss warten. Katja funkt dieTärna an und bitte darum, dass die beiden in unserer Nähe bleiben. Genau jetzt kommt natürlich auch ein Frachtschiff auf uns zu. Es ist noch 11 sm entfernt. Sicherheitshalber funkt Katja auch gleich das Schiff an, erklärt die Situation und bittet um Kursänderung. Tagelang haben wir abgesehen von der Tärna kein anderes Boot gesehen. Der Frachter passt wie abgesprochen seinen Kurs an und wir beraten uns. Erstaunlicherweise sind wir beide recht ruhig. Gut, dass gerade nur sehr leichter Wind mit wenig Welle ist. Wir stellen schnell fest, dass das Problem an dem Gestänge der Steueranlage liegen muss. Um daran zu kommen, müssen wir „nur“ 3 Schrauben unserer Backskiste lösen. Ich hebe die Backskiste an, während Katja den Deckel der Steueranlage annimmt. Die Backskiste kann wieder runtergelassen werden. Zum Glück sehen wir direkt wo das Problem liegt. An einem Gelenk hat sich eine Mutter gelöst, sodass an der Stelle das Lenkgestänge auseinander gerutscht ist. Mit flüssiger Schraubensicherung drehen wir die Mutter wieder rauf und bauen alles wieder zusammen. Gegen 04:00 geben wir der Tärna durch, dass die Fahrt weiter gehen kann. Wir setzen das Großsegel und nehmen wieder Fahrt auf. Ein Glück ist das in einer so ruhigen Situation passiert! 

Katja studiert in ihrer Vormittagsschicht ein paar unserer Segelbücher um ein paar nützliche Tipps fürs „Vor-dem-Wind-segeln“ zu erhaschen. Wir fahren zwar 5kn aber da geht bei den Bedingungen noch was! Die Windfahne bekommen wir gerade nicht gut eingestellt, ohne dass sie immer wieder aus dem Ruder läuft. Aktuell schafft unser Autopilot das ganze aber noch ganz gut. Wir könnten gleich bei Schichtwechsel um 10:00 das Vorsegel auf der Luvseite ausbäumen und „Schmetterling“ segeln. Das müsste gerade gut gehen, ohne dass das Vorsegel einfällt.

Um 09:09 gibt die Tärna über Funk durch, dass deren Großfall (Seil) gerissen ist und dass das Fall in den Mast zurückgerutscht ist. Das Großfall hält das Großsegel oben. Aktuell sind sie 3,5 sm vor uns. Wir schließen langsam auf während die Beiden einen Schlachtplan machen. Vermutlich muss jemand in den Mast. Wir haben 14kn in Böen 18kn Wind von hinten. Die Welle ist relativ entspannt bei ca 1,5m.

Die Sonne scheint und es ist bestes Segelwetter. Was wäre das schon, wenn da nicht mal der Klabautermann vorbeikommt und uns Streiche spielt…

6. Tag, Sonntag

Tagesetmal: 102sm

Seit Azoren: 482sm

Bis Irland: 574sm

Bei der Funkrunde um 14:00 erfahren wir, dass bei der Tärna der Spleiß (Knotenverbindung an der Mastspitze) am Großfall nachgegeben hat. Das Seil ist also noch so gut wie ganz. Nur, bei der Welle in den Mast zu klettern ist nicht ganz ungefährlich. Daher fahren sie erstmal nur mit dem Vorsegel. Wir bleiben bei reduzierter Segelfläche, damit wir zusammenbleiben können. Der Wind bringt uns trotzdem gut voran. Es läuft. Abends gibt es die zweite Packung Tortellini mit der restlichen Soße von gestern. Kochen unter Deck ist trotz kardanisch aufgehängtem Herd gar nicht so einfach. 

In meiner Abendschicht versuche ich die Windfahne einzustellen. Genug Wind haben wir inzwischen. Vergebens. Dann muss halt weiter der Autopilot herhalten. Manchmal raubt die Windfahne mir den letzten Nerv. Raygina macht das gut. Die Welle ist nicht so hoch und ich kann mich zurücklehnen. 

Um 02:20 kurz nachdem ich die Wache von Katja übernommen habe, fällt der Autopilot aus. Ich vermute, dass der Bowdenzug gerissen ist. Mist. Eine gute Dreiviertelstunde steuere ich per Hand bis ich genervt genug bin mich der Windfahne zu widme. Es ist gerade genug Wind, dass sie funktionieren müsste. Siehe da, erste Einstellung sitzt und sie funktioniert traumhaft. Ich werde es wohl auf dieser Reise nicht mehr verstehen, woran es liegt. Der Trimm ist exakt der gleiche wie vorhin. Die Einstellungen an der Windfahne sind gleich. Der Wind und die Welle sind gleich…. 

Ich bin so oder so mega glücklich, dass es funktioniert. Vor allem in den Nachtstunden von Hand zu steuern ist sehr ermüdend.

7. Tag, Montag

Tagesetmal: 116sm

Seit Azoren: 598sm

Bis Irland: 458sm

Der Tag verläuft ruhig. Die Windfahne steuert fleißig. Da der Wind im Laufe des Abends wieder nachlassen soll, sodass wir die Windfahne nicht einsetzen können, entscheiden wir uns beim Autopiloten eine Reparatur zu versuchen. Wir schaffen es Gott sei Dank den Autopiloten (hinter dem Steuerrad montiert) so zu lösen, dass wir an das Innenleben herankommen ohne das Steuerrad abbauen zu müssen. Wie schon vermutet, ist der Keilriemen gerissen. Wir nähen den Keilriemen mit reißfester Angelschnur wieder zusammen. Das hält ungefähr 5 min und der Autopilot fällt wieder aus.

Also heißt es wohl oder übel die nächsten 12-15 Stunden von Hand steuern. 

Kurz nach dem Abendessen, hören wir ein lautes Prusten neben unserem Boot. Ein riesiger Wal schwimmt wenige Meter hinter unserem Boot lang. Wow! Der Wal ist bestimmt 15-20 Meter lang. Ein richtig großes Tier direkt hinter uns. Wenn er mit einer Wasserfontäne ausgeatmet hat, hören wir sogar kurz, wie der Wal wieder einatmet. Wir hören wie Unmengen an Luft durch die kleine Öffnung auf dem Rücken des Wals gesogen werden. 

Die Welle und der Wind nehmen immer weiter ab. Wir haben uns mit der Tärna abgestimmt, dass sie Vorfahren. Es ist im Dunklen einfacher einem Licht voraus zu folgen, als 4 Stunden auf eine digitale Anzeige zu starren und so den Kurs zu halten. Katja singt beim Schichtwechsel um 02:00 passend dazu: „Stern über Bethlehem zeig‘ uns den Weg! …“

02:15 Von Hand steuern ist fürn Arsch.

02:30 Von Hand steuern ist immer noch fürn Arsch.

02:35 Von Hand St……….

05:10 Es wird langsam hell, da höre ich wieder ein Prusten. Dieses Mal sind es mehrere große Tiere, die wieder knapp hinterm Schiff durch gehen – keine 50m entfernt. Es ist atemberaubend diese Tiere mit eigenen Augen und so nah zu sehen.

Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit das man mitten auf dem Atlantik zweimal nacheinander Wale sehen kann?

8. Tag, Dienstag

Tagesetmal: 95sm

Seit Azoren: 693sm

Bis Irland: 363sm

Katja hat in ihrer Morgenschicht auch Besuch von Walen bekommen. Wieder schwammen sie kurz hinter unserem Boot durch. 

Gegen Mittag schalten wir den Motor wieder aus. Der Wind ist zurück. Die Tärna hat eine Möglichkeit gefunden das Großsegel mit einem anderen Fall hochzuziehen. Der Wind kommt von hinten und die Windfahne steuert gut. Den Tag über sehen wir immer mal wieder Delfine. Schöne Tiere! Katja versucht sie dann immer zu rufen. Ob das wirklich funktioniert? 😉

Der Tag vergeht entspannt. Wir genießen die Sonne, duschen, schlafen abwechselnd, lesen Segelbücher, beobachten die Windfahne beim Steuern, essen Bratnudeln zum Abendbrot und lassen beim Blick auf den Ozean die Gedanken fliegen. Ab und zu passen wir die Segel und die Windfahne etwas an. 

Die Nacht wird zunehmend unruhiger. Wind und Welle werden mehr und wir ziehen zum Schichtwechsel um 02:00 das zweite Reff ins Großsegel (Segelfläche verkleinern).  Sofort ist mehr Ruhe im Boot. Walda gleitet wieder entspannter durch die Wellen.

Manöver im Dunkeln bei denen jemand auf das Vorschiff muss, sind immer ein bisschen aufregend. Mit entsprechender Sicherung ist aber auch das kein Problem.

Auf dem Plotter sehen wir, dass sich ein Frachtschiff nähert. Die Tärna fährt vor uns und hat bereits Funkkontakt zu dem Frachter aufgenommen. Dieser ändert seinen Kurs um hinter der Tärna durch zu gehen. Da wir kein AIS-Signal aussenden, sind wir für andere Boote auf den Instrumenten nicht sichtbar. Der Frachter fährt nun auf uns zu. Er ist noch ca. 6 sm entfernt. Mal sehen ob wir ihn auch noch anfunken müssen oder ob das passt…

Eine halbe Stunde später geht der Frachter eine knappe Meile hinter uns durch. Gut, jetzt haben wir erstmal wieder Ruhe.

9. Tag, Mittwoch

Tagesetmal: 125sm

Seit Azoren: 818sm

Bis Irland: 238sm

Es ist Mittag und der Verkehr nimmt deutlich zu. Wir sehen zwischenzeitlich bis zu 8 Frachtschiffe auf dem AIS. Das liegt wohl daran, dass wir uns auf der Höhe des Englischen Kanals befinden. Alle Schiffe, die aus dem Kanal kommen und nach Amerika wollen, fahren hier lang.

Es ist nebelig, sodass die Sichtweite eingeschränkt ist. Dank der Technik ist das allerdings kein Problem. Wir können unseren Kurs halten und die Frachter fahren mehrere Meilen vor oder hinter uns durch. Der Wind ist wechselhaft. Wir passen viel die Segel und die Windfahne an. Motiviert sind wir beide nicht mehr. Vor allem die Windfahne verlangt uns einiges an Geduld ab.

Ich bin langsam echt müde. So Gott will sind es noch 2 Tage. Wir hoffen aktuell Freitagabend anzukommen. 

Kuriosität des Abends: Unser Tiefenmesser zeigt für 5 min eine Tiefe von ca. 20-25m an. Eigentlich ist es hier gerade noch 4000m tief. Was da wohl unter uns war?

10. Tag, Donnerstag

Tagesetmal: 119sm

Seit Azoren: 937sm

Bis Irland: 119sm

Albino Wal-Delfine 😉

Was hat es damit auf sich?

Ich gucke nach Backbord aus, weil ich ein Geräusch gehört habe und höre es erneut. Ein Walpusten. Katja steht mit auf. Ich zücke das Handy und mache ein Video. Wir sehen aber kein Wal. Da die Sonne gerade hinter den Wolken hervorkommt, sehen wir hellgraue, fast weiße Tiere knapp unter der Oberfläche. Beim Auftauchen sehen sie aus wie größere Delfine. Grau leicht meliert, die Tiere sehen dadurch irgendwie „alt“ aus. Ihr Schwimmverhalten und die Größe ist ähnlich zu großen Tümmlern. Was für Tiere das genau waren, werden wir wohl nie rausfinden. 

Apropos Sonne, die Sonne scheint heute! Nach zweieinhalb Tagen Regen, Wolken und dickem Nebel fühlt es sich schön an Sonne auf der Haut zu spüren. Alles wird langsam trockener und man spürt von Minute zu Minute, dass die Stimmung steigt. Der plötzliche Stimmungsanstieg könnte aber auch daran liegen, dass wir vermutlich morgen Nachmittag/Abend ankommen.

Der Nachmittag verläuft ruhig. Die Windfahne steuert, das Groß steht im ersten Reff und wir machen stabile 5-5,5kn SoG (Speed over Ground).

Zum Abendbrot gibt es ein letztes Mal verlängerte Bratnudeln. 

In den Freiwachen liegen wir eigentlich immer in der Koje und versuchen zu schlafen. Das klappt mal besser und mal schlechter.

Die Windfahne braucht ab und zu kleine Korrekturen. Ansonsten ist nicht viel zu tun. Während den Schichten haben wir also Zeit zum Schreiben, eine Serie zu gucken und die Seekarten für das Gebiet, in dem wir morgen ankommen, zu studieren. 

Gegen 06:00 reffen wir das Großsegel aus. Der Wind ist etwas eingeschlafen, aber die Welle nimmt weiter zu. Wir merken, dass der Meeresboden unter uns schnell ansteigt. Die See ist kappelig und schwups zeigt unser Tiefenmesser nur noch eine Tiefe von 180m an. Wir haben ca 2-2,50m Welle gemischt mit einer Windwelle. Nach 2 Stunden nimmt die Kreuzsee etwas ab. Das Kontinentalschelf haben wir geschafft.

08:30 Land in Sicht!

11. Tag, Freitag

Tagesetmal: 104sm

Seit Azoren: 1041sm

Bis Irland: 15sm

Spannend und Erschreckend zugleich. Noch 25sm bis Fastnet. Der Wind nimmt noch mal auf gut 17-20kn zu.

Fastnet Rock: Eine kleine aber auch sehr bekannte „Insel“ (eigentlich nur ein Fels mit Leuchtturm und einem Helilandeplatz) im Süden Irlands. Es ist das Ziel für viele Rennsegler beim Fastnet Race. Details habe ich zu wenig im Kopf, als dass ich hier groß was erzählen könnte. Aber ein Bericht habe ich noch vor Augen. Ich glaube in den 70-80er Jahren gab es bei dem Race eine ganz schlimme Wetterkatastrophe, wodurch viele Segler ums Leben gekommen sind. 

Eben dieser Ort Fastnet Rock soll es nun sein, den wir als erstes von Irland zu sehen bekommen. Ein spannendes und beeindruckendes Segelrevier! 

Der Fels ragt steil und kahl aus dem Wasser. Die Segelbedingungen sind gut und Delfine spielen mit unserem Bug. Dem Leuchtturm kann man richtig ansehen, dass er schon so manch schweres Wetter mitgemacht hat. Die Sonne scheint und wir nutzen das gute Wetter um noch ein paar Fotos zu machen. 

Um 16:19 fällt der Anker auf 5m Tiefe in der Bucht von Schull in den Sand. Es weht eine frische Brise. Waldaliegt ruhig ohne zu schaukeln im Wasser. Lediglich ein leises Plätschern am Rumpf ist zu hören. 

Wir haben es geschafft! Nach 10 Tagen und 5 Stunden haben wir 1100sm Strecke zurückgelegt. Wir sind in Irland!

Wir genießen noch ein Ankommensbier zusammen mit der Tärna, bevor wir hundemüde in die Kojen fallen.

Reisebericht: Kanaren bis Azoren

Ein Bericht geschrieben von Jan.

1. Tag

Start: Sonntag, den 26.05 um 10:30 Uhr in der Marina in Santa Cruz, Teneriffa 

Wir starten zusammen mit dem Segelboot Tärna in Santa Cruz de Tenerife. Die Crew der Tärna hat das gleiche Ziel. Somit fahren wir als Flottille Richtung Azoren. Solange wir von der Hafenmole geschützt sind, werden erstmal Leinen und Fender eingeholt und verstaut. Die brauchen wir schließlich die nächsten Tage nicht. Das Großsegel setzen wir auch schonmal. Der Motor läuft zur Unterstützung mit. Sechs Tage auf See liegen vor uns.

Die ersten 3-4 Stunden kreuzen wir gegen den Wind an. Wenn wir um die Nordspitze Teneriffas rum sind, können wir den Kurs auf die Azoren setzen. Wir kommen schleppend voran. Kreuzkurs macht keinen Spaß. Aber immerhin haben wir beide nicht mit Seekrankheit zu kämpfen und so gibt es zum Abendbrot die vorbereiteten Bratnudeln – für mich mit etwas Barbecue Sauce für Katja mit etwas Ketchup. Kaum liegt die Nordspitze Teneriffas hinter uns, steuern wir schon die Azoren an – genauer gesagt die kleine Insel Santa Maria im Südosten der Azoren.

Wir haben Schwierigkeiten die Höhe, also den direkten Kurs zu den Azoren, zu halten. Der Wind kommt nicht von der Seite wie geplant, sondern eher von vorne.

Unsere Segelbuddies von der Tärna haben es da scheinbar leichter und so trennen sich unsere Wege schon nach wenigen Stunden. Über Funk halten wir aber regelmäßig Kontakt zueinander.

Wir haben uns für diese Überfahrt auf ein 4 Stunden Wachsystem geeinigt. Meine Schichten sind von 02:00-06:00, 10:00-14:00 und 18:00-22:00. Dazwischen übernimmt Katja das Steuer, sodass ich mich ausruhen kann. 

Es ist der erste Abend. Katja legt sich etwas hin, bevor sie um 22:00 pünktlich zum Schichtwechsel das Steuer übernimmt. Beziehungsweise die Verantwortung. Steuern tut nämlich bis jetzt die Windfahne ganz gut.

Die erste Nacht verläuft durchmischt. Mal haben wir ordentlich Wind mit bis zu 20kn und kurzer Welle von 1,5m und mal Flaute mit 6-8kn Wind und kaum Welle. So wird uns immerhin nicht langweilig. Die Windfahne basiert auf einem rein mechanischen System. Das Boot wird ohne Strom zu verbrauchen auf Kurs gehalten. Beziehungsweise stellt man die Windfahne auf einen bestimmten Winkel zum Wind ein und sobald das Boot etwas nach Backbord oder Steuerbord fährt, merkt das System, dass der Wind aus einem anderen Winkel kommt und lenkt wieder zurück. Super genial! So müssen wir lediglich aufpassen, dass nichts und niemand im Weg ist. Ein Haken hat das Ganze. Alles unter 10kn (Knoten) Wind reicht für die Windfahne nicht aus um den Windwinkel zu erkennen. Das heißt, dann muss unser elektrischer Autopilot herhalten.

In der Nacht bekommen wir Besuch von einem Fliegenfisch für den aber jede Hilfe zu spät kommt, als Katja ihn in den frühen Morgenstunden entdeckt. Ich hingegen verschlafe den Sonnenaufgang und wache erst bei strahlendem Sonnenschein wieder auf. Wirklich Schlaf zu finden ist gar nicht einfach, wenn man weiß, dass man gerade irgendwo im nirgendwo auf dem Atlantik segelt. Von den ständigen Geräuschen und Bewegungen im Schiff mal ganz zu schweigen.

Bisher haben wir uns in den Freischichten einfach in Segelklamotten mit einem Kissen auf den Boden im Cockpit gelegt. Das ist bequemer als es aussieht, gefühlt einer der ruhigsten Orte und es spart das nervige aus- und anziehen des Ölzeugs.

2. Tag

Tagesetmal: 107sm (zurückgelegte Distanz in Seemeilen in den letzten 24h) 

107sm von 693sm geschafft
noch 586 to sail

Der zweite Tag verläuft ruhig mit relativ konstantem Wind um 14kn. Endlich haben wir auch halben Wind wie vorhergesagt und so machen wir stabile 6kn SOG (Speed over ground).

Am zweiten Abend haben wir etwas mit Seekrankheit zu schaffen. Nur mit Mühe gelingt es uns ein paar Nudeln mit Tomatensoße zu kochen und was warmes zu essen. Laut Vorhersage erreicht die Welle heute Nacht ihren Höchstwert unserer Überfahrt. Wir halten uns wacker und freuen uns schon auf den nächsten Tag mit weniger Welle.

Am späten Abend ist schon weniger Wind und Welle als befürchtet. Bei Leichtwind kommen wir etwas besser voran als die Tärna und so können wir langsam wieder aufschließen. Eine Weile fahren wir so nebeneinander her. Da ist der Atlantik schon so groß und man muss gucken sich nicht über den Haufen zu fahren 😉

Die Nacht wurde dann doch noch ruppiger als gedacht. Der Wind frischt auf 16-18kn auf, die Welle nimmt wieder zu und die Windfahne hat Probleme den Kurs zu halten. Ein guter Trimm der Segel im Verhältnis zu Wind, Windböen und Welle ist essenziell damit die Windfahne einen guten Job machen kann. Das ist manchmal gar nicht so einfach. So beschäftige ich mich damit, entweder selbst zu steuern, die Windfahne einzustellen oder den Autopiloten laufen zu lassen. Letztere kommt mit viel Welle nicht gut zurecht. Naja, man nimmt was man hat 😉

Am zweiten Morgen geht die Sonne hinter dicken Wolken auf, sodass ich nicht von der Sonne und derer Wärme geweckt wurde, sondern von einem zärtlichen Fußrüttler von Katja mit der Aussage: „Ey, es ist gleich 10 Uhr!“. So habe ich heute Nacht dann gute drei Stunden schlafen können.

3. Tag

Tagesetmal: 135sm (zurückgelegte Distanz in Seemeilen in den letzten 24h) 

242sm von 693sm geschafft
noch 451sm to sail

Der Tag bleibt wolkenverhangen und trüb. Ab und zu kommen sogar ein paar Tropfen Regen runter.

Wir versuchen uns im Wachwechsel alle vier Stunden einmal aufzumuntern. Dann geht der eine schlafen und der andere zur Wache hinter das Steuer. Morgens um 06:00, mittags um 12:00 und abends um 18:00 funken wir kurz mit der Tärna. Es fühlt sich gut an mit jemanden zusammen zu fahren und regelmäßig Kontakt zu haben. Wir sehen uns zwar nur selten, da wir gute 2-4sm Abstand haben aber fürs Funken sind wir nah genug dran. 

Die dritte Nacht, verläuft ähnlich wie die Letzten: wechselhafte Winde, Stunden fühlen sich an wie Tage. Der einzige Unterschied: es ist bewölkt und daher sehr dunkel. Es fehlt an jeglicher Orientierung, sodass man sich nur auf die Instrumente konzentrieren kann. Aber hey, wir haben Halbzeit und somit weniger Seemeilen vor uns als hinter uns.

Am dritten Morgen geht es uns richtig gut. Der Magen macht keine Probleme mehr und es gibt eine große Portion Müsli zum Frühstück. Unsere Batterien machen uns etwas Sorgen. Die Solarpaneele schaffen es bei dem bedeckten Wetter nicht mehr nachzuladen. Wir entscheiden uns dazu den Kühlschrank zeitweise auszuschalten und Strom zu sparen.

4. Tag

Tagesetmal:  137sm (zurückgelegte Distanz in den letzten 24h) 

376sm von 690sm geschafft
noch 314sm to sail

Die Welle ist deutlich weniger geworden. Es schaukelt nur sehr wenig, vielleicht 0,5-1m Welle. Auch der Wind hat auf 08-10kn nachgelassen, sodass wir das Großsegel ausreffen (das ganze Segel rausholen). Wir fahren jetzt mit „Vollzeug“ über den Atlantik. Unsere Durchschnittsgeschwindigkeit liegt rechnerisch bei 5,2Kn in den letzten 72 Stunden. Das ist OK.

Der Tag verläuft gut. Wir haben immer mal wieder Flaute und sind daher eher langsam unterwegs. Das macht aber gar nichts! Mit dem Wind hat auch die Welle nachgelassen und die Sonne kam raus. Man kann sich endlich wieder bewegen an Bord! Wir holen die Solardusche raus und duschen im Cockpit. Nach drei Tagen war das auch dringend mal nötig. Wir fühlen uns beide so fit wie bisher noch nie auf einer längeren Überfahrt.

Wir nutzen die Zeit und machen uns was leckeres zu Essen. Es gibt Kartoffelpuffer. 

In der vierten Nacht sind wir wegen der ständig wechselnden Winde und Windstärken auf den Autopiloten umgestiegen. Da kommen wir mit der Windfahne nicht hinterher. Abgesehen von der Tärna haben wir in den letzten Tagen nur ein anderes Schiff gesichtet. Wir machen es uns beide im Cockpit gemütlich und Katja liest aus einem Segelbuch vor. Alle 20 min reicht ein kurzer Rundrumblick um die Lage zu checken. Wir haben das Gefühl uns langsam an die Langfahrt/Blauwasser-Szenerie zu gewöhnen. 

Gegen 00:30 höre ich wie Katja den Motor startet. Flaute. Später erfahre ich, dass wir eine Weile nur mit 2 kn Geschwindigkeit gesegelt sind. Als der Wind dann noch weniger wurde, hat Sie entschieden den Motor bei minimaler Drehzahl mitlaufen zu lassen. Wenn wir zu langsam werden, schaukelt das Boot sehr doll in der leichten Atlantikwellen. Ein bisschen Geschwindigkeit ist daher angenehmer – auch wenn das heißt, dass der Motor etwas radau macht. Wir haben es nicht eilig. Wenn wir mit unserer normalen Reisegeschwindigkeit weiterfahren würden, kämen wir übermorgen morgens gegen 04:00 im Dunkeln an. 

Um 06:00 zum Schichtwechsel hat die Tärna aufgeschlossen. Nach der gemeinsamen Funkrunde erhöhen wir die Drehzahl etwas und fahren jetzt mit Marschfahrt 5 kn. Wir haben die Hoffnung, dass wir so schneller aus der Flaute rauskommen und im Laufe des Tages die Ausläufer vom Hochdruckgebiet aus der Vorhersage finden. 

5. Tag

Tagesetmal: 97sm (zurückgelegte Distanz in den letzten 24h) 

473sm von 690sm geschafft
noch 217sm to sail

Gegen 11:00 schalten wir den Motor wieder aus. Wir haben wieder leichten Wind jetzt aus SW mit 4-6kn.

Nach leckerem Müsli-Frühstück machen wir es uns zu zweit im Cockpit gemütlich und genießen die Sonne. 

Der Tag geht so dahin und es passiert nicht viel. Wir sehen das erste mal portugiesische Galeeren. Das ist eine giftige Quallenart, die hier vermehrt vorkommt. Mit Ihren bis zu 50m langen, lilanen Tentakeln verteilt sie ein Gift, welches zu starken Muskelkrämpfen bis hin zum Herzstillstand führen kann. Die Quallen treiben auf der Wasseroberfläche und stellen eine Art „Segel“ auf, welches sich mit Wind füllt. So „segeln“ die Galeeren vor dem Wind über den Atlantik. Sie sehen zwar cool aus, will ich aber nicht näher kennen lernen, die Kollegen. 

So starten wir bei mehr werdender Welle langsam in die fünfte Nacht. Im Laufe der Nacht soll auch der Wind mehr werden.

Und so ist es auch. Die jetzt schon wieder aufgewühlte See steht mit 1,5m Welle von achtern, sodass der Autopilot allerhand zu tun hat. Bei dem leicht böigen Wind zwischen 09-12Kn käme die Windfahne aber auch an Ihre Grenzen bzw. fairnesshalber muss man sagen, unsere Erfahrungen der Einstellmöglichkeiten kämen an die Grenze. Irgendwie haben wir das noch nicht so raus, wie die Windfahne auch bei leichten Bedingungen zuverlässig steuert. Aber wir werden von mal zu mal sicherer. Der Wind und die Welle nehmen zu. In der Spitze sind es gute 20kn Wind. Die Genua ist zeitweise ganz weg. Katja fährt eine ganze Weile nur mit dem Großsegel. Zum Schichtwechsel wird es aber dann noch sehr unangenehm, sodass wir das Großsegel wegnehmen und nur mit einem Fetzen Genua weiterfahren. Starkwind, kurze Wellen schräg von hinten, dunkel und dann fängt es auch noch an zu regnen. Super geil.

Die Sicht ist sehr schlecht. Ich glaube, es ist sogar nebelig. Vereinzelt dachte ich noch Sterne gesehen zu haben, aber das war wohl Einbildung. 

Manu von der Tärna hat am Vortag dank seiner Kurzwellenfunkanlage aktuelles Wetter beziehen können. Pünktlich um 04:00 kam von jetzt auf gleich die angesagte Flaute, sodass wir jetzt wieder eine Weile motoren. Auch die Welle hat sich gegen Ende der Nacht etwas beruhigt. Der Regen ist zu einem leichten Nieselregen zurück gegangen und es wird langsam hell. Ich hau mich jetzt erstmal durchnässt und kalt für 4 Stunden in die Koje. Vielleicht können wir, wenn ich wieder aufwache schon wieder segeln. Gute Nacht.

Als ich gegen 10:00 wieder die Schicht übernehme, ist immer noch Flaute. Erst gegen 13:00 kommt Wind auf. In Absprache mit der Tärna schalten wir den Motor aus uns setzen die Segel. Es geht hoch ran 45° zum Wind bei 5-8 kn Wind. Wir schaffen 3-3,5kn Fahrt über Grund.

Das Ziel naht. Morgen früh sollten wir Land in Sicht haben. Mit ein bisschen Glück können wir nachts vielleicht schon den großen Leuchtturm sehen, der auf der Insel mit einer Tragweitee von 25sm stehen soll. Heute gibt es Nudeln mit Bolognese und wir wünschen uns, dass die Nacht entspannt bleibt. Die Segelbedingungen sind gut und es beginnt zu dämmern. Das Einzige was uns Sorgen bereitet, sind die dunklen Wolkentürme am Horizont. Da könnte Regen und gegebenenfalls auch viel Wind drinstecken. Und das dann auch noch nachts… Wir bereiten alles vor um schnell reffen (Segelfläche verkleinern) zu können. Falscher Alarm. Die Wolkenwand zieht gerade so noch vor uns durch und die letzte Nacht verbringen wir mit den besten Segelbedingungen unter einem beeindruckend klaren Sternenhimmel. 

Am nächsten Morgen folgt ein phänomenaler Sonnenaufgang und die ersten Landumrisse zeichnen sich in den ersten Sonnenstrahlen ab. 

Um 08:30 legen wir im Hafen auf der Insel Santa Maria an und fallen uns glücklich in die Arme. Als erstes gehen wir uns anmelden, duschen und sobald die Tärna da ist, gibt es ein gemeinsames ausgedehntes Pancake-Ankommens-Frühstück. Geschafft!

Die zurückgelegte Distanz liegt bei 700sm in 5 Tagen und 23 Stunden mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 4,9kn. Davon waren wir 29,5 Stunden unter Motor.

Warten, warten und warten…

oder auch… „Das Paket“

Ein Beitrag geschrieben von Jan:

Woche 1 des Wartens:

Nach vier langen Tagestouren von Porto über Nazaré und Figuera de Foz, erreichen wir am 26.11.23 die Ankerbucht vor Cascais in Portugal.

Wir schlafen erstmal aus und machen uns dann auf den Weg nach Oeiras ein kleiner gemütlicher Hafen vor den Toren Lissabons. Wir haben uns zu diesem Hafen unsere Windfahnensteuerung bestellt und werden die verbleibenden Tage (geplant 5 Tage) hier nun darauf warten und freuen uns auf einen Tagesausflug nach Lissabon. Die Windfahne kann auf längeren Segeltörns das Steuern für uns übernehmen. Das Ganze funktioniert rein mechanisch ohne Strom. Da wir als nächstes in einem ca. 5 Tagestörn auf die Kanaren wollen, ist jetzt genau der richtige Zeitpunkt.

Woche 2:

Wir genießen ein paar Sonnenuntergänge am Strand und verbringen die Zeit damit ein paar kleine und größere Reparaturen am Boot durchzuführen. Wir treffen uns mit den SailingClimbers und gehen zusammen Boulder in Lissabon. Die nächsten Tage haben wir ordentlich Muskelkater und warten weiterhin auf das Paket.

Woche 3:

Das Paket steckt noch in Amerika fest. Es wird wohl noch ein paar Tage länger dauern… 
Wir machen einen zweiten Tagesausflug nach Lissabon und warten weiter auf das Paket.
Mit einem Wein genießen wir die Sonnenuntergänge am Strand und erledigen alle nur erdenklichen Arbeiten am Boot. Wir warten weiter.

Woche 4:

Gute Nachricht: Das Paket ist auf dem Weg und kommt wohl noch vor Weihnachten an.

Wir vertreiben uns die Zeit mit Surfen lernen, weiteren Sonnenuntergänge am Strand bestaunen und einem Großeinkauf um vorbereitet zu sein für die nächste Tour Richtung Süden. Das Paket kommt ja bald…

Woche 5:

Das Paket steckt beim Zoll in Lissabon fest.
Wir verbringen also Weihnachten in Oeiras, auch schön. Auf dem drei Flammen-Gasherd und dem Backofen bereiten wir uns ein fantastisches Festessen. Wir fangen an Skat zu lernen. Genug Zeit haben wir ja.

Woche 6:

Schön hier, aber waren Sie schon mal …

… an Silvester in Lissabon? Wir bestaunen am Fluss „Tajo“ in Lissabon gigantische Feuerwerke.
Wir waren auf der ganzen Tour noch nicht so lange an einem Ort. Naja, uns bleibt nichts anderes über und wir warten immer noch auf das Paket.

Woche 7: 

Endlich, endlich, endlich! Das Paket ist „zur Abholung bereit“. Wir haben gerade das neue Jahr mit einem riesigen Feuerwerk in Lissabon begrüßt. Jetzt können wir unser Paket am Flughafen abholen. Nach dem ich überraschend viel Geld für die Einfuhrsteuer (Portugal 23%) bezahlt habe, halte ich jetzt schließlich das Paket in den Händen! Jetzt muss ich das große 25 kg schwere Paket nur noch die 20 km zum Boot zurück bekommen… 

Freitag der 13te …

Bild links: Katja und Ingo auf der Suche
Bild rechts: Unsere zurückgelegte Strecke auf dem Kartenplotter

Ein Bericht geschrieben von Jan:

Freitag, der 13.10.2023. Katja und ich sind zu zweit an Bord.

Es ist morgens und wir liegen noch in unseren Betten. Die Nacht war unruhig und laut. Es war deutlich windiger als gedacht. Das Boot ruckt immer wieder in den Anker. Der Regen prasselt ununterbrochen aufs Deck und der Wind heult im Mast. Auf den Handys haben wir eine Ankeralarm-App, die uns alarmiert, sobald wir einen eingestellten Radius um unseren Anker verlassen. Das gibt uns etwas Sicherheit, aber gut schlafen können wir bei solchen Bedingungen nicht.

Um 08:10 Uhr ist es soweit. Die Handys geben Alarm. Laut App treiben wir ab. Der eingestellte Radius liegt bei 30m. Inzwischen sind wir bei 35m. Dann 37m und 40m…

Also schnell raus aus dem Bett und gucken. Shit, wir treiben wirklich ab! Der Wind hat den Anker ausgerissen und wir treiben langsam aber sicher Richtung Felsküste. Es ist dunkel und der Regen peitscht uns ins Gesicht. Katja schmeißt den Motor an und versucht das Boot weg von den Felsen in den Wind zu fahren. Ich hole in der Zeit den Anker hoch.

Katja versucht bei 40 Knoten Wind das Boot unter Kontrolle und mehr Abstand zum Land und den Felsen zu bekommen. Der Wind drückt den Bug immer wieder zur Seite. Wir schieben unter Top und Takel ca. 30° Schräglage (Top und Takel = Formulierung für alles, was fest an Deck steht ohne das Segel draußen sind). Wir starten einen Versuch neu zu Ankern. Katja steuert und ich schmeiße den Hauptanker und zusätzlich den Ersatzanker – ohne Erfolg. Beide halten nicht und werden immer wieder aus dem Sand gezogen. Beim Hochholen beider Anker verdreht sich die Kette in der Winsch und ich kriege von Hand keinen der beiden Anker wieder hoch. Nach 5min Ziehen und Zerren gelingt es mir alles zu enttüddeln und beide Anker wieder an Deck zu holen.

Wir entscheiden uns den Starkwind abzuwettern, indem wir (wie auch ein anderer Segler) unter Motor in der Bucht auf und ab zu fahren. Zum Glück wird es gleich gegen 09:00 Uhr hell. Nacheinander ziehen wir uns trockene Kleidung und Ölzeug an. Bisher waren wir sportlich in Schlafsachen unterwegs.
(Im Titelbild rechts ist die zurückgelegte Strecke in lila zu sehen)

Es wird langsam hell. Wir fahren bei schlechter Sicht, dank waagerechtem Regen, zwischen den Muschelbänken durch und warten so, dass es ruhiger wird.
Unser Dingi, dass wir hinter uns herziehen, kentert mehrmals durch. Dabei verlieren wir die Paddel und die Luftpumpe, die noch im Dingi lagen. Kurzzeitig drückt der Wind das Dingi hinten auf unsere Badeplattform und reißt dabei unsere Flagge inkl. Flaggenstock ab.

Gegen 09:10 Uhr lässt der Wind ein wenig nach und bläst nur noch mit ca. 30 Knoten. Wir starten einen neuen Versuch zu Ankern und fahren wieder Richtung Strand. Der Anker hält dieses mal gut. Wir sammeln uns und gönnen uns erstmal einen Kaffee und eine Wärmflasche.

Wir verbringen den Vormittag im Cockpit unter der Sprayhood einigermaßen geschützt vor dem Regen und beobachten immer wieder, ob der Anker hält. Gegen 12:00 Uhr stellen wir fest, dass wir auch unseren Ankerball verloren haben (ein runder Ball, der anzeigt, dass wir vor Anker liegen). 

Gegen 14:00 Uhr flaut der Wind endlich ab und auch der Regen lässt nach. Nach einem kurzen Funkwechsel kommt unser Ankernachbar Ingo (auch Deutscher 😉 ) mit seinem Dingi vorbei um uns beim Suchen der verlorenen Sachen zu helfen (im Titelbild links). Unser Dingi ist nicht mehr das Beste und verliert Luft. Mit ein wenig Glück finden wir die Luftpumpe zwischen zwei Felsen wieder. Immerhin können wir unser Dingi jetzt wieder nutzen 😉

Resümee: Dingi Platt, demolierte aber noch funktionsfähige Pumpe, keine Paddel, keinen Ankerball und keine Flagge mehr.

Der Ärmelkanal – In guten wie in schlechten Zeiten

Ein Beitrag geschrieben von Katja:

Wir schreiben den 17. August im Jahre 2023. Gegen 0600 morgens ist der Plan in Boulogne-sur-Mer abzulegen. Wir stellen jedoch fest, dass wir für die letzte Nacht noch nicht bezahlt haben und dass das Hafenbüro erst um 0700 öffnet. Naja, dann fahren wir halt erst um kurz nach 7 los…
Wir motoren „as quickly as possible“ aus der Hafeneinfahrt raus, nachdem wir über Funk die „permission to cross the harbour“ bekommen haben. Kurz hinter der Hafenausfahrt wartet ein Segler in Fahrtrichtung Hafen vermutlich auf die Freigabe das Hafenbecken zu passieren. Als der Segler ungefähr querab von uns ist, fängt er sehr schnell an rückwärts zu fahren und düst rückwärts in einem großen Bogen vor unserem Boot lang. Wir halten unseren Kurs bei und wundern uns was wohl sein Auftrag sei. Als er auf unserer Steuerbord-Seite angekommen ist, legt er den Vorwärtsgang ein und fährt seitlich an uns vorbei Richtung Hafenausfahrt. Kurz darauf lässt er sich wieder zurückfallen, kreuzt zwei-drei mal unser Kielwasser um dann doch an uns vorbei aus dem Hafen rauszufahren. Komischer Vogel…

Der Plan sieht vor, dass wir am nächsten Tag abends gegen 1900 in Cherbourg einlaufen. Das sind insgesamt 147sm Richtung Westen. Die Windvorhersage sagt heute morgen 5kn aus nordost – den Tag über mehr werdend. Gegen 1700 soll der maximale Wert von 23kn erreicht werden und erst in den frühen Morgenstunden wieder bis auf 5kn abflauen. Anders gesagt: Wir haben schönen Schiebewind von hinten und können gut Strecke machen. Am 18. tagsüber müssen wir vermutlich das letzte Stück motoren… so der Plan!

Gegen 0830 setzen wir die Segel auf „Schmetterling“ was soweit auch ganz gut funktioniert. 1,5 Stunden später pulen wir den Spinnaker raus und machen bei 7/8kn Wind 3kn Fahrt durchs Wasser. Der Strom läuft mit ca. 1 kn mit uns. Von den Farben und dem Stoff ähnelt der Spinnaker (Spi) einem Schwungtuch wie die, die es bei Kinderfesten zu sehen gibt. Der Spi ist nur bei Leichtwind und achterlichen Winden zu fahren – also perfekt für die jetzige Situation. Das Wetter ist herrlich und der Ärmelkanal scheint es gut mit uns zu meinen. Um 1108 cremt sogar Jan sich freiwillig mit Sonnencreme ein. Um kurz vor 1200 stellen wir fest, dass der Strom nachgelassen hat. Wir fahren bei inszwischen 12kn Wind stabile 5,4kn durchs Wasser. 

Kleiner Sidefact: Jedes Boot hat bedingt durch die Form, Größe und das Gewicht eine Maximalgeschwindigkeit, die das Boot fahren kann. Unsere maximale Rumpfgeschwindigkeit liegt rechnerisch so bei 7,6kn Fahrt durchs Wasser (14kmh). Über Grund kann man dem entsprechend schneller sein, wenn der Strom mit einem ist.

Da wir bereits schon 13kn Wind von hinten haben und der Wind noch weiter zunehmen soll, holen wir den Spinnaker wieder rein und fahren mit dem Schmetterling weiter. Zudem rechnen wir damit, dass der Strom kippt und wir die nächsten 6 Stunden Wind gegen Wasser haben und sich dadurch mehr Welle aufbaut. 

Gegen 1500 hat der Wind auf 16kn zugenommen. Der Strom ist komischerweise mit 1,5kn wieder mit uns, sodass wir 7,5kn über Grund fahren. Es sind noch 105sm bis nach Cherbourg. Der Strom, der Wind und die Welle nehmen im Laufe des Nachmittags noch weiter zu. Bis auf, dass der Strom immernoch mit uns ist, läuft alles wie geplant.

Wir sind anscheinend in ein nicht markiertes Fischergebiet gefahren. Die nächsten 10sm finden wir immer wieder Fischerbojen um uns herum. Eine Boje sehen wir erst als sie ca. 1m nehmen unserem Cockpit vorbeirauscht.
Die Welle trägt uns vor sich her und der Strom schiebt gut. Es ist etwas schwierig zu steuern, da man aufpassen muss, dass die Welle exakt von hinten kommt. Sonst verdreht die Welle das Boot und wir fahren spontan in eine andere Richtung. Die Segel schlagen dann um. Das ist nicht so gut für das Material und auch für uns etwas schaukelig. Wir brechen unseren Geschwindigkeitsrekord und fahren mit der Welle 8,9kn durchs Wasser und stabile 11,3 kn über Grund. Das fühlt sich fast an wie fliegen. 

Die Person, die gerade steuert muss sich gut konzentrieren und die Wellen so gut es geht weg parieren damit das Boot ungefähr den Kurs von 240 Grad beibehält.
Wir bereiten uns auf die Nacht vor. Gegen 2030 stellen wir fest, dass der Strom nachgelassen hat. Das fehlt uns jetzt noch, dass zur Nacht hin der Strom kippt. Kommt der Wind weiterhin von hinten und der Strom fortan von vorne, baut sich eine kurze unangenehme Welle auf. Nach unserer Planung hätten die letzten 6 Stunden Strom gegen uns sein müssen und jetzt nun wieder mit uns…

Die Wellen werden höher – bis zu 3m. Der Wind mit 25kn schiebt gut von hinten. Wir sind alle mit Saftyleinen gesichert. Um 2111 passiert es das erste mal. Die Welle zieht das Heck vom Boot zur Seite, sodass wir parallel zur Welle fahren. Ungefähr so wie man das bei Wellensurfern sieht. Nur dass wir auf einem Segelboot sind und der Laufweg der Backbordseite durch die Schräglage vollständig überspült wird. Wasser rauscht unter die Sprayhood. Die Segel schlagen um. Jetzt heißt es das Ruder festhalten und warten bis die Welle vorbei ist damit wir wieder unseren Kurs aufnehmen können. Das war auf einmal ganz schön viel Wasser mit ganz schön viel Schräglage. So schnell waren wir noch nie. 
Gut, wir fahren wieder den gewünschten Kurs und wir holen das Vorsegel rein. Noch 50sm bis Cherbourg. Also gute 8 Stunden wenn wir mit der Geschwindigkeit weiterfahren. 
Der Strom gegen uns nimmt zu. Die Welle wird dadurch höher und kürzer. Passend dazu verschwindet gerade die Sonne am Horizont. Man sieht die Wellen nun nicht mehr kommen, sodass es noch schwieriger wird das Boot passend zur Welle zu steuern. Wir werden durchgeschaukelt durch das ständige auf und ab. Die Großschot schlägt trotz Bullenstander (Leine, die das umschlagen verhindern soll) um. Es rumst noch einmal und der Baum schlägt wieder auf die andere Seite. Aber Moment – warum ist die Großschot lose?! Die Verbindung vom Baum zum Cockpit ist gebrochen. Das Großsegel und der Baum werden von dem Wind unkontrolliert an die Wanten gedrückt. Jetzt heißt es Motor an und aufpassen, dass der Baum auf der Steuerbordseite bleibt. Ein Glück haben wir noch den Bullenstander, der auch am Ende des Baums festgemacht ist. Wir fahren so vorsichtig es gerade geht in den Wind. Der Baum schwingt zurück ins Cockpit. Es ist inzwischen stockdunkel. Wir versuchen die Großschot mit einem Karabiner wieder an den Baum einzuhängen. Das Großsegel flattert und zieht am Baum. 

Beim 4. Versuch klappt es – sehr gut. Wir lassen die Bullenstanderleine als Backup parallel zur Großschot laufen und fallen leicht ab, damit das Segel nicht mehr so schnell umschlagen kann. Trotzdem passiert es und diesmal verfängt dich die Großschot am Solarpanel. Die Großschot faltet das Solarpanel zusammen, löst die Verbindungen zum Seezaun und legt das Solarpanel neben Jans Schulter ab. Das Ganze ungefähr in 0,5 Sekunden. Das Cockpit ist voller Scheiben. Niemand ist verletzt. Wir entscheiden uns dazu den Kurs Richtung Süden aufzunehmen und den Hafen „le havre“ in 30sm Entfernung anzulaufen. Das sind zwar immernoch 6 Stunden Fahrt, aber in der Richtung soll der Wind als erstes nachlassen und wir haben Wind und Strom (von wo der auch immer kommt) von der Seite. Gegen 0630 kommen wir mit der Dämmung heile und groggi im Hafen an.

So schön der Tag auch begann, hatte die Nacht es in sich. Wir haben ein Solarpanel verloren, eine kaputte Umlenkrolle und einen ausgekippten Aschenbecher im Cockpit – aber darum kümmern wir uns morgen!

Die erste Nachtfahrt!

Ein Beitrag geschrieben von Katja:

10.-11.08.23 Scheveningen – Calais

Gegen 0500 klingelt der Wecker – aufstehen. Das Segelboot, was sich am vorabend zu uns ins Päckchen gelegt hat, fährt gerade weg.
0615 schmeißen wir die Leinen los und fahren auf die Nordsee. Heute ist der erste Tag der Allianz Sailing World Championship hier in Scheveningen/Den Haag. Doch jetzt beim Sonnenaufgang ist hier noch nicht viel los – gut für uns.
Unser Ziel ist Seebrügge in Belgien. Das sind 62sm. Wenns gut läuft, fahren wir eventuell durch die Nacht noch weiter bis Calais. Aber das entscheiden wir später.
Der Wind kommt aus WNW mit 8kn. Wir setzen das Großsegel und holen die Genua (Vorsegel) raus. Der Motor läuft mit. Da wir vor dem Wind wegfahren, bleibt von den 8 kn Wind nicht mehr viel übrig. Wir haben 1,5kn Gegenstrom und machen ca 3,5 kn Fahrt durchs Wasser.

Gegen 1015 liegt das Fahrwasser von Rotterdam vor uns. Wir bergen die Genua und fahren nur mit dem Großsegel unter Motor weiter. Es ist nicht viel los. Wir lassen 2 Containerschiffe von Rotterdam kommend durch und kreuzen dann das Fahrwasser. Das war einfacher als erwartet.

Gegen 1530 ist Seebrügge in Sicht. Inszwischen haben wir den Strom mit uns und machen 6,5kn Fahrt über Grund. Der Wind hat noch mehr nachgelassen, sodass wir auch das Großsegel runterholen. Wir entscheiden uns dazu die Nacht zufahren. Das sind dann noch 72 weitere Seemeilen bis Calais. Wir tanken noch 2x 20L Diesel nach. Das war unsere Reserve – sollte aber dicke reichen.

Um 1730 gibts Essen – Chilli sin carne.
Von um 2100 bis 0600 haben wir Schichten eingeteilt. Jede/jeder hat 3h Wache, 3h Bereitschaft und 3h frei.
Die Sonne geht gegen 2130 unter. Richtig dunkel ist es aber erst gegen 2245. Wir haben komischerweise immernoch Strom mit uns. Zum Schichtwechsel um 0000 entscheiden wir uns dazu etwas langsamer zu fahren, damit wir nicht im Dunkeln schon ankommen. Die Nacht bleibt ruhig.
Gegen 0530 steuern wir das Fahrwasser von Calais an. Hier ist einiges an Fährverkehr unterwegs, aber dank der Dämmerung fällt das Navigieren einfacher. Um 0610 machen wir an einer Ankerboje vor dem Hafen fest. Der Hafen liegt hinter einer Schleuse. Nun warten wir bis die Schleuse um 0814 uns reinlässt und machen um 0820 am Gästeschlengel fest – 118sm geschafft.

1. Tag der Reise! Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt…

Ein Beitrag geschrieben von Jan:

Stade-Glückstadt

Windvorhersage 12-20kn Wind aus West/Westsüdwest
Besegelung: Genua
Dauer: 1,5-2 Std

Um 10:40 schmeißen wir die Leinen in unserem Heimathafen los. Anschließend winken wir in Stadersand noch Freunden und Familie und dann rauf auf die Elbe.
Der Wind weht moderat mit 12-15kn aus West.
Wegen eines Tankers wechseln wir auf die rote Seite und wollen dann mit 3-4 Schlägen aufkreuzen, rum um die Insel (Rhinplate) und dann rein nach Glückstadt. So ist zumindest der Plan.
Es ist sonnig und die Stimmung ist gut.
Höhe Pagensand-Nord frischt der Wind auf. Die Wellen sind inzwischen ca. 0,5-1m hoch, da Wind gegen Wasser steht.
Ab dann wird es stetig schlechter. Der Wind bläst in der Spitze mit 32kn und wir kämpfen uns gegen die Wellen und gegen den Wind vor. Die Stimmung ist gut – endlich ist was los!
Aufgrund einiger aufkommenden Frachtschiffen müssen wir kurze Schläge außerhalb des Fahrwasser setzen.
Kurz vor der Rhinplate frischt der Wind noch weiter auf. In den Spritzen lesen wir 37kn Wind auf der Windanzeige und schätzen die Wellenhöhe auf 1,5-2m. Regen und immer wieder überkommende Gischt erschweren das Ganze. Wir bergen das Segel und schalten den Motor an.
Beim Segelbergen bildet sich ein „Luftsack“ im Vorsegel, sodass das Achterliek im Wind flattert. Natürlich kommt es dann wie es kommen muss – die Genua reisst etwa 1,3 m am Achterliek ein und die Rollanlage verhakt sich. Ich krabble aufs Vorschiff um die Rollanlage per Hand zu bedienen damit das Segel nicht noch mehr kaputt geht.

Man könnte meinen das reicht erstmal für den ersten Tag… Auf Höhe der Nordspitze der Rhinplate sind wir langsam in Landabdeckung und freuen uns über die immer kleiner werdenden Wellen. Mit der langsam eintretenden Ruhe hören wir ein komisches Geräusch vom Motor. Katja geht unter Deck um die Motortemperatur zu prüfen – 120° und mehr. Das ist gar nicht gut!
Katja und Amelie bauen schnell die Motorabdeckung ab und stehen innerhalb weniger Sekunden in dichtem weißen Rauch. Wir reißen die Fenster auf um uns einen Überblick zu verschaffen. Da geht der Motor auch schon aus… Die Bilge ist voll mit Kühlmittel. Die Wasserpumpe scheint zu lecken.
Trotz ablaufendem Wasser treibt uns der Wind gegen den Strom weiter Richtung Hafen. Allerdings kommt nicht nur der Hafen näher sondern auch eine Sandbank an Backbord. Im Effekt werfen wir den Anker um uns erstmal einen Überblick zu verschaffen und Walda vorm Auflaufen auf die Sandbank zu schützen. Kaum ist der Anker unten, kommt auch schon die Idee auf den Außenborder, der eigentlich für das Beiboot ist, an das Heck zu klemmen und als Notmotor zu nutzen. Für genau diesen Fall haben wir schließlich einen Langschaftaußenborder. Gesagt getan. Ich stehe hinten am Heck und bedient den Außenborder. Katja steht am Steuer und Amelie bereitet das Notanlegemanöver mit Leinen und Fendern vor. Der Außenborder schafft es, dass wir gegen den Strom noch 2 kn Fahrt über Grund machen. Da kann man nicht meckern. Mit dem immer noch starken Wind aus West und nur mit Außenborder legen wir ein heikles, knappes aber gutes Anlegemanöver hin. Ganz im Sinne von Guido Dwersteg „Man kann sich auch mal beim Nachbarn anlehnen“. Nur, dass der Nachbar ein 80cm Stahldalben war.

Resümee:
Genua kaputt
Motor Totalschaden
Mein Bett ist nass, weil ich Dödel meine Luke nicht zu gemacht habe.