Ein Bericht geschrieben von Jan.
1. Tag
Start: Sonntag, den 26.05 um 10:30 Uhr in der Marina in Santa Cruz, Teneriffa
Wir starten zusammen mit dem Segelboot Tärna in Santa Cruz de Tenerife. Die Crew der Tärna hat das gleiche Ziel. Somit fahren wir als Flottille Richtung Azoren. Solange wir von der Hafenmole geschützt sind, werden erstmal Leinen und Fender eingeholt und verstaut. Die brauchen wir schließlich die nächsten Tage nicht. Das Großsegel setzen wir auch schonmal. Der Motor läuft zur Unterstützung mit. Sechs Tage auf See liegen vor uns.
Die ersten 3-4 Stunden kreuzen wir gegen den Wind an. Wenn wir um die Nordspitze Teneriffas rum sind, können wir den Kurs auf die Azoren setzen. Wir kommen schleppend voran. Kreuzkurs macht keinen Spaß. Aber immerhin haben wir beide nicht mit Seekrankheit zu kämpfen und so gibt es zum Abendbrot die vorbereiteten Bratnudeln – für mich mit etwas Barbecue Sauce für Katja mit etwas Ketchup. Kaum liegt die Nordspitze Teneriffas hinter uns, steuern wir schon die Azoren an – genauer gesagt die kleine Insel Santa Maria im Südosten der Azoren.
Wir haben Schwierigkeiten die Höhe, also den direkten Kurs zu den Azoren, zu halten. Der Wind kommt nicht von der Seite wie geplant, sondern eher von vorne.
Unsere Segelbuddies von der Tärna haben es da scheinbar leichter und so trennen sich unsere Wege schon nach wenigen Stunden. Über Funk halten wir aber regelmäßig Kontakt zueinander.
Wir haben uns für diese Überfahrt auf ein 4 Stunden Wachsystem geeinigt. Meine Schichten sind von 02:00-06:00, 10:00-14:00 und 18:00-22:00. Dazwischen übernimmt Katja das Steuer, sodass ich mich ausruhen kann.
Es ist der erste Abend. Katja legt sich etwas hin, bevor sie um 22:00 pünktlich zum Schichtwechsel das Steuer übernimmt. Beziehungsweise die Verantwortung. Steuern tut nämlich bis jetzt die Windfahne ganz gut.
Die erste Nacht verläuft durchmischt. Mal haben wir ordentlich Wind mit bis zu 20kn und kurzer Welle von 1,5m und mal Flaute mit 6-8kn Wind und kaum Welle. So wird uns immerhin nicht langweilig. Die Windfahne basiert auf einem rein mechanischen System. Das Boot wird ohne Strom zu verbrauchen auf Kurs gehalten. Beziehungsweise stellt man die Windfahne auf einen bestimmten Winkel zum Wind ein und sobald das Boot etwas nach Backbord oder Steuerbord fährt, merkt das System, dass der Wind aus einem anderen Winkel kommt und lenkt wieder zurück. Super genial! So müssen wir lediglich aufpassen, dass nichts und niemand im Weg ist. Ein Haken hat das Ganze. Alles unter 10kn (Knoten) Wind reicht für die Windfahne nicht aus um den Windwinkel zu erkennen. Das heißt, dann muss unser elektrischer Autopilot herhalten.
In der Nacht bekommen wir Besuch von einem Fliegenfisch für den aber jede Hilfe zu spät kommt, als Katja ihn in den frühen Morgenstunden entdeckt. Ich hingegen verschlafe den Sonnenaufgang und wache erst bei strahlendem Sonnenschein wieder auf. Wirklich Schlaf zu finden ist gar nicht einfach, wenn man weiß, dass man gerade irgendwo im nirgendwo auf dem Atlantik segelt. Von den ständigen Geräuschen und Bewegungen im Schiff mal ganz zu schweigen.
Bisher haben wir uns in den Freischichten einfach in Segelklamotten mit einem Kissen auf den Boden im Cockpit gelegt. Das ist bequemer als es aussieht, gefühlt einer der ruhigsten Orte und es spart das nervige aus- und anziehen des Ölzeugs.
2. Tag
Tagesetmal: 107sm (zurückgelegte Distanz in Seemeilen in den letzten 24h)
107sm von 693sm geschafft
noch 586 to sail
Der zweite Tag verläuft ruhig mit relativ konstantem Wind um 14kn. Endlich haben wir auch halben Wind wie vorhergesagt und so machen wir stabile 6kn SOG (Speed over ground).
Am zweiten Abend haben wir etwas mit Seekrankheit zu schaffen. Nur mit Mühe gelingt es uns ein paar Nudeln mit Tomatensoße zu kochen und was warmes zu essen. Laut Vorhersage erreicht die Welle heute Nacht ihren Höchstwert unserer Überfahrt. Wir halten uns wacker und freuen uns schon auf den nächsten Tag mit weniger Welle.
Am späten Abend ist schon weniger Wind und Welle als befürchtet. Bei Leichtwind kommen wir etwas besser voran als die Tärna und so können wir langsam wieder aufschließen. Eine Weile fahren wir so nebeneinander her. Da ist der Atlantik schon so groß und man muss gucken sich nicht über den Haufen zu fahren 😉
Die Nacht wurde dann doch noch ruppiger als gedacht. Der Wind frischt auf 16-18kn auf, die Welle nimmt wieder zu und die Windfahne hat Probleme den Kurs zu halten. Ein guter Trimm der Segel im Verhältnis zu Wind, Windböen und Welle ist essenziell damit die Windfahne einen guten Job machen kann. Das ist manchmal gar nicht so einfach. So beschäftige ich mich damit, entweder selbst zu steuern, die Windfahne einzustellen oder den Autopiloten laufen zu lassen. Letztere kommt mit viel Welle nicht gut zurecht. Naja, man nimmt was man hat 😉
Am zweiten Morgen geht die Sonne hinter dicken Wolken auf, sodass ich nicht von der Sonne und derer Wärme geweckt wurde, sondern von einem zärtlichen Fußrüttler von Katja mit der Aussage: „Ey, es ist gleich 10 Uhr!“. So habe ich heute Nacht dann gute drei Stunden schlafen können.
3. Tag
Tagesetmal: 135sm (zurückgelegte Distanz in Seemeilen in den letzten 24h)
242sm von 693sm geschafft
noch 451sm to sail
Der Tag bleibt wolkenverhangen und trüb. Ab und zu kommen sogar ein paar Tropfen Regen runter.
Wir versuchen uns im Wachwechsel alle vier Stunden einmal aufzumuntern. Dann geht der eine schlafen und der andere zur Wache hinter das Steuer. Morgens um 06:00, mittags um 12:00 und abends um 18:00 funken wir kurz mit der Tärna. Es fühlt sich gut an mit jemanden zusammen zu fahren und regelmäßig Kontakt zu haben. Wir sehen uns zwar nur selten, da wir gute 2-4sm Abstand haben aber fürs Funken sind wir nah genug dran.
Die dritte Nacht, verläuft ähnlich wie die Letzten: wechselhafte Winde, Stunden fühlen sich an wie Tage. Der einzige Unterschied: es ist bewölkt und daher sehr dunkel. Es fehlt an jeglicher Orientierung, sodass man sich nur auf die Instrumente konzentrieren kann. Aber hey, wir haben Halbzeit und somit weniger Seemeilen vor uns als hinter uns.
Am dritten Morgen geht es uns richtig gut. Der Magen macht keine Probleme mehr und es gibt eine große Portion Müsli zum Frühstück. Unsere Batterien machen uns etwas Sorgen. Die Solarpaneele schaffen es bei dem bedeckten Wetter nicht mehr nachzuladen. Wir entscheiden uns dazu den Kühlschrank zeitweise auszuschalten und Strom zu sparen.
4. Tag
Tagesetmal: 137sm (zurückgelegte Distanz in den letzten 24h)
376sm von 690sm geschafft
noch 314sm to sail
Die Welle ist deutlich weniger geworden. Es schaukelt nur sehr wenig, vielleicht 0,5-1m Welle. Auch der Wind hat auf 08-10kn nachgelassen, sodass wir das Großsegel ausreffen (das ganze Segel rausholen). Wir fahren jetzt mit „Vollzeug“ über den Atlantik. Unsere Durchschnittsgeschwindigkeit liegt rechnerisch bei 5,2Kn in den letzten 72 Stunden. Das ist OK.
Der Tag verläuft gut. Wir haben immer mal wieder Flaute und sind daher eher langsam unterwegs. Das macht aber gar nichts! Mit dem Wind hat auch die Welle nachgelassen und die Sonne kam raus. Man kann sich endlich wieder bewegen an Bord! Wir holen die Solardusche raus und duschen im Cockpit. Nach drei Tagen war das auch dringend mal nötig. Wir fühlen uns beide so fit wie bisher noch nie auf einer längeren Überfahrt.
Wir nutzen die Zeit und machen uns was leckeres zu Essen. Es gibt Kartoffelpuffer.
In der vierten Nacht sind wir wegen der ständig wechselnden Winde und Windstärken auf den Autopiloten umgestiegen. Da kommen wir mit der Windfahne nicht hinterher. Abgesehen von der Tärna haben wir in den letzten Tagen nur ein anderes Schiff gesichtet. Wir machen es uns beide im Cockpit gemütlich und Katja liest aus einem Segelbuch vor. Alle 20 min reicht ein kurzer Rundrumblick um die Lage zu checken. Wir haben das Gefühl uns langsam an die Langfahrt/Blauwasser-Szenerie zu gewöhnen.
Gegen 00:30 höre ich wie Katja den Motor startet. Flaute. Später erfahre ich, dass wir eine Weile nur mit 2 kn Geschwindigkeit gesegelt sind. Als der Wind dann noch weniger wurde, hat Sie entschieden den Motor bei minimaler Drehzahl mitlaufen zu lassen. Wenn wir zu langsam werden, schaukelt das Boot sehr doll in der leichten Atlantikwellen. Ein bisschen Geschwindigkeit ist daher angenehmer – auch wenn das heißt, dass der Motor etwas radau macht. Wir haben es nicht eilig. Wenn wir mit unserer normalen Reisegeschwindigkeit weiterfahren würden, kämen wir übermorgen morgens gegen 04:00 im Dunkeln an.
Um 06:00 zum Schichtwechsel hat die Tärna aufgeschlossen. Nach der gemeinsamen Funkrunde erhöhen wir die Drehzahl etwas und fahren jetzt mit Marschfahrt 5 kn. Wir haben die Hoffnung, dass wir so schneller aus der Flaute rauskommen und im Laufe des Tages die Ausläufer vom Hochdruckgebiet aus der Vorhersage finden.
5. Tag
Tagesetmal: 97sm (zurückgelegte Distanz in den letzten 24h)
473sm von 690sm geschafft
noch 217sm to sail
Gegen 11:00 schalten wir den Motor wieder aus. Wir haben wieder leichten Wind jetzt aus SW mit 4-6kn.
Nach leckerem Müsli-Frühstück machen wir es uns zu zweit im Cockpit gemütlich und genießen die Sonne.
Der Tag geht so dahin und es passiert nicht viel. Wir sehen das erste mal portugiesische Galeeren. Das ist eine giftige Quallenart, die hier vermehrt vorkommt. Mit Ihren bis zu 50m langen, lilanen Tentakeln verteilt sie ein Gift, welches zu starken Muskelkrämpfen bis hin zum Herzstillstand führen kann. Die Quallen treiben auf der Wasseroberfläche und stellen eine Art „Segel“ auf, welches sich mit Wind füllt. So „segeln“ die Galeeren vor dem Wind über den Atlantik. Sie sehen zwar cool aus, will ich aber nicht näher kennen lernen, die Kollegen.
So starten wir bei mehr werdender Welle langsam in die fünfte Nacht. Im Laufe der Nacht soll auch der Wind mehr werden.
Und so ist es auch. Die jetzt schon wieder aufgewühlte See steht mit 1,5m Welle von achtern, sodass der Autopilot allerhand zu tun hat. Bei dem leicht böigen Wind zwischen 09-12Kn käme die Windfahne aber auch an Ihre Grenzen bzw. fairnesshalber muss man sagen, unsere Erfahrungen der Einstellmöglichkeiten kämen an die Grenze. Irgendwie haben wir das noch nicht so raus, wie die Windfahne auch bei leichten Bedingungen zuverlässig steuert. Aber wir werden von mal zu mal sicherer. Der Wind und die Welle nehmen zu. In der Spitze sind es gute 20kn Wind. Die Genua ist zeitweise ganz weg. Katja fährt eine ganze Weile nur mit dem Großsegel. Zum Schichtwechsel wird es aber dann noch sehr unangenehm, sodass wir das Großsegel wegnehmen und nur mit einem Fetzen Genua weiterfahren. Starkwind, kurze Wellen schräg von hinten, dunkel und dann fängt es auch noch an zu regnen. Super geil.
Die Sicht ist sehr schlecht. Ich glaube, es ist sogar nebelig. Vereinzelt dachte ich noch Sterne gesehen zu haben, aber das war wohl Einbildung.
Manu von der Tärna hat am Vortag dank seiner Kurzwellenfunkanlage aktuelles Wetter beziehen können. Pünktlich um 04:00 kam von jetzt auf gleich die angesagte Flaute, sodass wir jetzt wieder eine Weile motoren. Auch die Welle hat sich gegen Ende der Nacht etwas beruhigt. Der Regen ist zu einem leichten Nieselregen zurück gegangen und es wird langsam hell. Ich hau mich jetzt erstmal durchnässt und kalt für 4 Stunden in die Koje. Vielleicht können wir, wenn ich wieder aufwache schon wieder segeln. Gute Nacht.
Als ich gegen 10:00 wieder die Schicht übernehme, ist immer noch Flaute. Erst gegen 13:00 kommt Wind auf. In Absprache mit der Tärna schalten wir den Motor aus uns setzen die Segel. Es geht hoch ran 45° zum Wind bei 5-8 kn Wind. Wir schaffen 3-3,5kn Fahrt über Grund.
Das Ziel naht. Morgen früh sollten wir Land in Sicht haben. Mit ein bisschen Glück können wir nachts vielleicht schon den großen Leuchtturm sehen, der auf der Insel mit einer Tragweitee von 25sm stehen soll. Heute gibt es Nudeln mit Bolognese und wir wünschen uns, dass die Nacht entspannt bleibt. Die Segelbedingungen sind gut und es beginnt zu dämmern. Das Einzige was uns Sorgen bereitet, sind die dunklen Wolkentürme am Horizont. Da könnte Regen und gegebenenfalls auch viel Wind drinstecken. Und das dann auch noch nachts… Wir bereiten alles vor um schnell reffen (Segelfläche verkleinern) zu können. Falscher Alarm. Die Wolkenwand zieht gerade so noch vor uns durch und die letzte Nacht verbringen wir mit den besten Segelbedingungen unter einem beeindruckend klaren Sternenhimmel.
Am nächsten Morgen folgt ein phänomenaler Sonnenaufgang und die ersten Landumrisse zeichnen sich in den ersten Sonnenstrahlen ab.
Um 08:30 legen wir im Hafen auf der Insel Santa Maria an und fallen uns glücklich in die Arme. Als erstes gehen wir uns anmelden, duschen und sobald die Tärna da ist, gibt es ein gemeinsames ausgedehntes Pancake-Ankommens-Frühstück. Geschafft!
Die zurückgelegte Distanz liegt bei 700sm in 5 Tagen und 23 Stunden mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 4,9kn. Davon waren wir 29,5 Stunden unter Motor.