Ein Bericht geschrieben von Jan.
Dienstag, der 16.07.2024
Tag 1
Es ist 11:00 in Praia Vitoria auf der Insel Terceira, Azoren. Der Motor schnurrt und der Anker hebt sich. Wir fahren mit dem Bug in den Wind um das Großsegel zu setzen. Los geht’s.
1056sm liegen zwischen uns und unserem Ziel Irland. Die Vorhersage ist nicht ganz so gut wie erhofft. Unter Seglern sagt man, wenn sich das Azorenhoch stabilisiert habe, sei der Wind optimal um nach Irland oder England zu segeln. Nur ist in den letzten Wochen und in naher Zukunft kein stabiles Azorenhoch in Sicht. Naja, nützt ja nichts. Die Vorhersage verspricht am zweiten Tag Gegenwind und anschließend mal mehr mal weniger Wind von der Seite oder von hinten. Wir rechnen mit einer neun-zehn-tägigen Überfahrt. Aktuelle Wetterdaten rufen wir einmal täglich über unser Satellitentelefon ab. Außerdem sind wir nicht alleine auf dem Meer. Manu und Mareike von der Segelyacht Tärna setzen auch den Kurs Richtung Irland. Wir haben uns verabredet mehrmals am Tag über Funk in Kontakt zu bleiben. Das gibt uns ein Gefühl von Sicherheit.
Am ersten Tag ist der Wind noch relativ böig und schwach bis wechselhaft, sodass uns nicht langweilig wird. Wir haben drei Möglichkeiten unser Boot zu steuern. Da wäre die Windfahne, die die Kraft des Windes mithilfe eines Servoruders in einen Steuerbefehl umwandelt. Das Ganze funktioniert ohne Strom. Essentiell dafür ist genügend Wind. Bei leichteren Winden ist der Steuerbefehl nicht immer ausreichend. Da kommt dann unser elektrischer Autopilot „Raygina“ ins Spiel. Raygina kommt hingegen nicht mit viel Wind bzw. Welle zurecht und kann somit nur bei leichtem Wind oder Flaute eingesetzt werden. Somit sollte das eine Steuersystem die Schwächen des anderen ausgleichen. Dann wäre da noch die dritte Option – per Hand steuern. Abgesehen von den Segelmanövern versuchen wir unsere Kräfte zu schonen. So eine Überfahrt ist meistens schon anstrengend genug.
Unsere Windfahne will noch nicht so richtig wie wir wollen. Erst abends gegen 22:00 zum Schichtwechsel läuft es endlich. Ich (Jan) gehe nun schlafen, bevor ich gegen 02:00 wieder übernehme. Alle 4 Stunden ist Wachwechsel. Katjas Schicht verläuft recht ruhig. Die Windfahne steuert und hinterm Boot ist helles Meeresleuchten zu sehen. In unserer Bugwelle und im Kielwasser tanzen hell leuchtende Pünktchen durchs Wasser. Ich übernehme die Wache und freue mich, dass die Windfahne funktioniert. Im Laufe der Schicht dreht der Wind. Ich stelle viel an den Segeln und an der Windfahne ein. Doch das Boot läuft immer wieder aus dem Ruder. Das grenzt an Meuterei! Meine Schicht ist gleich zu Ende. Vielleicht hat Katja mehr Erfolg.
2. Tag, Mittwoch
Tagesetmal: 104sm (in den letzten 24h)
Seit Azoren: 104sm
Bis Irland: 952sm
Der Wind pustet mit guten 20 Knoten Wind von vorne. Das Großsegel ist im zweiten Reff und auch die Genua schaut nur noch ein bisschen heraus. Wir kreuzen auf, kommen aber nur schleppend voran. Die Welle kommt auch von vorne. Alles schaukelt und ruckt. Selbst die kleinsten Aufgaben wie Zähne putzen werden zur Herausforderung. Gegen Mittag kommt das erste Wetterupdate von Katjas Papa. Die erwartete Flaute kommt wohl statt dieser Nacht erst nächste Nacht. Also weiter durchhalten. Wir holen die Genua ganz ein und setzten unsere Fock (kleineres Vorsegel). So läuft unsere Walda etwas besser durch die ruppige See. Wir schaffen nun an der Kreuz 4 Knoten Geschwindigkeit.
Am Nachmittag entdecken wir in den Wellen eine Delfinschule mit kleinen Babydelfinen. Sie schwimmen kurz neben unserem Boot her, bevor sie wieder in den Wellen verschwinden. Das ist definitiv unser Highlight des Tages und muntert uns etwas auf.
3. Tag, Donnerstag
Tagesetmal: 59sm (in den letzten 24h)
Seit Azoren: 163sm
Bis Irland: 893sm
Am Vormittag lassen der Wind und die Welle etwas nach, sodass wir das Großsegel vom zweiten Reff ins erste Reff ausreffen (Segelfläche etwas vergrößern). Auch die Fock wird wieder durch die Genua ersetzt (größeres Vorsegel). Die Bootsbewegungen werden angenehmer. Der Wind flaut immer weiter ab, sodass wir gegen 12:20 den Motor dazu holen. Nach ca. einer Stunde ist wieder genug Wind, dass die Segel nicht mehr flattern. Motor aus. Die Sonne kommt raus und unsere Stimmung steigt merklich. Wir nutzen das schöne Wetter und duschen im Cockpit mit unserer Solardusche. Das tut gut. Abends gibt es Spaghetti mit vegetarischer Bolognese – lecker!
In meiner Abendschicht schalte ich (Jan) wieder den Motor an. Ich spiele etwas mit der Seekarte auf dem Handy und der Connection zum Plotter herum. Auf einmal ist die Seekarte auf dem Plotter grau hinterlegt statt weiß wie sonst. Mh, mist…
Bei unserer Funkrunde gegen 22:00 mit der Tärna einigen wir uns darauf, dass wir beide die gleichen Wegpunkte abfahren, damit wir uns nicht verlieren. Beim Aufkreuzen gestern waren wir nämlich schon kurz außer Funkreichweite. Zum Glück haben wir uns nach einer Wende und einigen Stunden später wiedergefunden. So ein Ozean ist ganz schön groß. Das nächstgelegene Land ist inzwischen der Meeresboden bei einer Wassertiefe von ca. 4km.
Die Nacht bleibt ruhig und der Autopilot steuert bis in die frühen Morgenstunden. Gegen 05:00 ist der Wind soweit aufgefrischt, dass der Autopilot Mühe hat den Kurs zu halten. Es wird schon langsam hell und ich versuche mich am Einstellen der Windfahne. Diesmal läufts! Daumen drücken, dass es so bleibt.
4. Tag, Freitag
Tagesetmal: 111sm (in den letzten 24h)
Seit Azoren: 274sm
Bis Irland: 782sm
Wir frühstücken lecker Brot und stellen fest, dass wir uns so langsam an das Leben auf See gewöhnen. Wind und Welle bringen uns Meile für Meile näher an Irland heran. Um 17:03 funkt uns unerwartet die Tärna an. Sie hatten gerade eine Kollision mit einem Gegenstand im Wasser – vermutlich einem Baumstamm. Sie checken nun alles und melden sich wieder, wenn sie genaueres wissen. Kurze Zeit später kommt die Entwarnung. Sie können keinerlei Schäden, geschweige denn Wassereinbruch, am Bug feststellen. Nach einem kurzen Schrecken kann die Fahrt also weitergehen.
Es ist 18:30. Ich schaue in meiner Schicht aufs Wasser und lasse die Gedanken fliegen. Katja hat sich unter Deck hingelegt. Dass das Segelleben nicht nur Sonnenschein ist, erlebe ich heute so intensiv wie noch nie. Ich habe Hunger, fühle mich aber gleichzeitig satt. Ich bin wütend, aber weiß gar nicht warum oder worauf. Ich fühle mich schlapp und seekrank, richtig schlecht ist mir aber nicht. Gott sei Dank ist Katja heute sehr gut drauf. Das hilft mir sehr und so helfen wir uns gegenseitig in den schwierigeren Momenten!
Im Laufe der Nacht wird der Wind wie erwartet immer weniger. In den frühen Morgenstunden hole ich das Vorsegel ein und starte den Motor. Gegen 08:00 entdeckt Katja in ihrer Schicht ein helles Objekt backbord voraus. Sie passt den Kurs etwas an um eine Kollision zu vermeiden. Schwer zu sagen was das war. Es schwamm knapp unter der Wasseroberfläche und ist ca. 2m im Durchmesser. Ein bisschen Glück muss man auch mal haben. Ich will gar nicht wissen, an wie vielen Objekten wir schon (vor allem nachts) vorbeigefahren sind, ohne etwas zu merken…
5. Tag, Samstag
Tagesetmal: 106sm
Seit Azoren: 380sm
Bis Irland: 676sm
Gegen Mittag piept das Satellitentelefon und die aktuelle Wettervorhersage trudelt ein. Die nächsten 18 Stunden bleibt der Wind leicht bis quasi nicht existent. Der Motor rumort unter Deck. Die Welle ist sehr niedrig und man kann sich gut an Bord bewegen. Wenn da nicht der nervige Motor wäre, könnte man fast vergessen, dass wir mitten auf dem Atlantik sind. Ich habe die Dusche vorbereitet. Wenn Katja gleich wach ist, wird mal wieder geduscht 😉
Seit ca. einer Stunde fahren wir wieder mit Sichtkontakt zur Tärna. Bei gutem Wetter können wir die Tärna bis zu einem Abstand von 5sm noch sehen. Zum Wachwechsel um 14:00 funken wir mit den beiden. Nach Wegpunkten zu steuern war eine gute Idee. Die Stimmung ist auf beiden Booten gut. Die Tärna berichtet sogar von einer Orca-Sichtung. Im Gegensatz zu den Orcas an der portugiesischen Westküste sind die Orcas hier in der Gegend friedlich und zischen nach einem guten „Hallo, hier bin ich!“ wieder ab.
Der restliche Tag verläuft ruhig. In meiner Abendschicht stelle ich fest, dass ich heute seit 6 Monaten Nichtraucher bin. Ansonsten ist nicht viel passiert. Es gab Käse-Tortellini zum Abendessen.
Beim nächtlichen Wachwechsel um 02:00 entscheiden wir uns dazu das Großsegel wieder zu setzen. Der Wind wird langsam wieder mehr. Katja übernimmt das Steuer und ich gehe nach vorne zum Mast um das Segel hochzuziehen. Katja steuert den Bug in den Wind, damit kein Druck im Großsegel ist und ich es somit einfacher habe. Doch das Boot dreht durch den Wind durch und fährt weiter im Kreis. Ich schaue nach hinten und höre von Katja, dass sie keine Steuerwirkung mehr hat. Katja dreht am Steuerrad doch der Befehl wird nicht auf das Ruderblatt übertragen. Wir sind manövrierunfähig. Das Segelsetzen muss warten. Katja funkt dieTärna an und bitte darum, dass die beiden in unserer Nähe bleiben. Genau jetzt kommt natürlich auch ein Frachtschiff auf uns zu. Es ist noch 11 sm entfernt. Sicherheitshalber funkt Katja auch gleich das Schiff an, erklärt die Situation und bittet um Kursänderung. Tagelang haben wir abgesehen von der Tärna kein anderes Boot gesehen. Der Frachter passt wie abgesprochen seinen Kurs an und wir beraten uns. Erstaunlicherweise sind wir beide recht ruhig. Gut, dass gerade nur sehr leichter Wind mit wenig Welle ist. Wir stellen schnell fest, dass das Problem an dem Gestänge der Steueranlage liegen muss. Um daran zu kommen, müssen wir „nur“ 3 Schrauben unserer Backskiste lösen. Ich hebe die Backskiste an, während Katja den Deckel der Steueranlage annimmt. Die Backskiste kann wieder runtergelassen werden. Zum Glück sehen wir direkt wo das Problem liegt. An einem Gelenk hat sich eine Mutter gelöst, sodass an der Stelle das Lenkgestänge auseinander gerutscht ist. Mit flüssiger Schraubensicherung drehen wir die Mutter wieder rauf und bauen alles wieder zusammen. Gegen 04:00 geben wir der Tärna durch, dass die Fahrt weiter gehen kann. Wir setzen das Großsegel und nehmen wieder Fahrt auf. Ein Glück ist das in einer so ruhigen Situation passiert!
Katja studiert in ihrer Vormittagsschicht ein paar unserer Segelbücher um ein paar nützliche Tipps fürs „Vor-dem-Wind-segeln“ zu erhaschen. Wir fahren zwar 5kn aber da geht bei den Bedingungen noch was! Die Windfahne bekommen wir gerade nicht gut eingestellt, ohne dass sie immer wieder aus dem Ruder läuft. Aktuell schafft unser Autopilot das ganze aber noch ganz gut. Wir könnten gleich bei Schichtwechsel um 10:00 das Vorsegel auf der Luvseite ausbäumen und „Schmetterling“ segeln. Das müsste gerade gut gehen, ohne dass das Vorsegel einfällt.
Um 09:09 gibt die Tärna über Funk durch, dass deren Großfall (Seil) gerissen ist und dass das Fall in den Mast zurückgerutscht ist. Das Großfall hält das Großsegel oben. Aktuell sind sie 3,5 sm vor uns. Wir schließen langsam auf während die Beiden einen Schlachtplan machen. Vermutlich muss jemand in den Mast. Wir haben 14kn in Böen 18kn Wind von hinten. Die Welle ist relativ entspannt bei ca 1,5m.
Die Sonne scheint und es ist bestes Segelwetter. Was wäre das schon, wenn da nicht mal der Klabautermann vorbeikommt und uns Streiche spielt…
6. Tag, Sonntag
Tagesetmal: 102sm
Seit Azoren: 482sm
Bis Irland: 574sm
Bei der Funkrunde um 14:00 erfahren wir, dass bei der Tärna der Spleiß (Knotenverbindung an der Mastspitze) am Großfall nachgegeben hat. Das Seil ist also noch so gut wie ganz. Nur, bei der Welle in den Mast zu klettern ist nicht ganz ungefährlich. Daher fahren sie erstmal nur mit dem Vorsegel. Wir bleiben bei reduzierter Segelfläche, damit wir zusammenbleiben können. Der Wind bringt uns trotzdem gut voran. Es läuft. Abends gibt es die zweite Packung Tortellini mit der restlichen Soße von gestern. Kochen unter Deck ist trotz kardanisch aufgehängtem Herd gar nicht so einfach.
In meiner Abendschicht versuche ich die Windfahne einzustellen. Genug Wind haben wir inzwischen. Vergebens. Dann muss halt weiter der Autopilot herhalten. Manchmal raubt die Windfahne mir den letzten Nerv. Raygina macht das gut. Die Welle ist nicht so hoch und ich kann mich zurücklehnen.
Um 02:20 kurz nachdem ich die Wache von Katja übernommen habe, fällt der Autopilot aus. Ich vermute, dass der Bowdenzug gerissen ist. Mist. Eine gute Dreiviertelstunde steuere ich per Hand bis ich genervt genug bin mich der Windfahne zu widme. Es ist gerade genug Wind, dass sie funktionieren müsste. Siehe da, erste Einstellung sitzt und sie funktioniert traumhaft. Ich werde es wohl auf dieser Reise nicht mehr verstehen, woran es liegt. Der Trimm ist exakt der gleiche wie vorhin. Die Einstellungen an der Windfahne sind gleich. Der Wind und die Welle sind gleich….
Ich bin so oder so mega glücklich, dass es funktioniert. Vor allem in den Nachtstunden von Hand zu steuern ist sehr ermüdend.
7. Tag, Montag
Tagesetmal: 116sm
Seit Azoren: 598sm
Bis Irland: 458sm
Der Tag verläuft ruhig. Die Windfahne steuert fleißig. Da der Wind im Laufe des Abends wieder nachlassen soll, sodass wir die Windfahne nicht einsetzen können, entscheiden wir uns beim Autopiloten eine Reparatur zu versuchen. Wir schaffen es Gott sei Dank den Autopiloten (hinter dem Steuerrad montiert) so zu lösen, dass wir an das Innenleben herankommen ohne das Steuerrad abbauen zu müssen. Wie schon vermutet, ist der Keilriemen gerissen. Wir nähen den Keilriemen mit reißfester Angelschnur wieder zusammen. Das hält ungefähr 5 min und der Autopilot fällt wieder aus.
Also heißt es wohl oder übel die nächsten 12-15 Stunden von Hand steuern.
Kurz nach dem Abendessen, hören wir ein lautes Prusten neben unserem Boot. Ein riesiger Wal schwimmt wenige Meter hinter unserem Boot lang. Wow! Der Wal ist bestimmt 15-20 Meter lang. Ein richtig großes Tier direkt hinter uns. Wenn er mit einer Wasserfontäne ausgeatmet hat, hören wir sogar kurz, wie der Wal wieder einatmet. Wir hören wie Unmengen an Luft durch die kleine Öffnung auf dem Rücken des Wals gesogen werden.
Die Welle und der Wind nehmen immer weiter ab. Wir haben uns mit der Tärna abgestimmt, dass sie Vorfahren. Es ist im Dunklen einfacher einem Licht voraus zu folgen, als 4 Stunden auf eine digitale Anzeige zu starren und so den Kurs zu halten. Katja singt beim Schichtwechsel um 02:00 passend dazu: „Stern über Bethlehem zeig‘ uns den Weg! …“
02:15 Von Hand steuern ist fürn Arsch.
02:30 Von Hand steuern ist immer noch fürn Arsch.
02:35 Von Hand St……….
05:10 Es wird langsam hell, da höre ich wieder ein Prusten. Dieses Mal sind es mehrere große Tiere, die wieder knapp hinterm Schiff durch gehen – keine 50m entfernt. Es ist atemberaubend diese Tiere mit eigenen Augen und so nah zu sehen.
Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit das man mitten auf dem Atlantik zweimal nacheinander Wale sehen kann?
8. Tag, Dienstag
Tagesetmal: 95sm
Seit Azoren: 693sm
Bis Irland: 363sm
Katja hat in ihrer Morgenschicht auch Besuch von Walen bekommen. Wieder schwammen sie kurz hinter unserem Boot durch.
Gegen Mittag schalten wir den Motor wieder aus. Der Wind ist zurück. Die Tärna hat eine Möglichkeit gefunden das Großsegel mit einem anderen Fall hochzuziehen. Der Wind kommt von hinten und die Windfahne steuert gut. Den Tag über sehen wir immer mal wieder Delfine. Schöne Tiere! Katja versucht sie dann immer zu rufen. Ob das wirklich funktioniert? 😉
Der Tag vergeht entspannt. Wir genießen die Sonne, duschen, schlafen abwechselnd, lesen Segelbücher, beobachten die Windfahne beim Steuern, essen Bratnudeln zum Abendbrot und lassen beim Blick auf den Ozean die Gedanken fliegen. Ab und zu passen wir die Segel und die Windfahne etwas an.
Die Nacht wird zunehmend unruhiger. Wind und Welle werden mehr und wir ziehen zum Schichtwechsel um 02:00 das zweite Reff ins Großsegel (Segelfläche verkleinern). Sofort ist mehr Ruhe im Boot. Walda gleitet wieder entspannter durch die Wellen.
Manöver im Dunkeln bei denen jemand auf das Vorschiff muss, sind immer ein bisschen aufregend. Mit entsprechender Sicherung ist aber auch das kein Problem.
Auf dem Plotter sehen wir, dass sich ein Frachtschiff nähert. Die Tärna fährt vor uns und hat bereits Funkkontakt zu dem Frachter aufgenommen. Dieser ändert seinen Kurs um hinter der Tärna durch zu gehen. Da wir kein AIS-Signal aussenden, sind wir für andere Boote auf den Instrumenten nicht sichtbar. Der Frachter fährt nun auf uns zu. Er ist noch ca. 6 sm entfernt. Mal sehen ob wir ihn auch noch anfunken müssen oder ob das passt…
Eine halbe Stunde später geht der Frachter eine knappe Meile hinter uns durch. Gut, jetzt haben wir erstmal wieder Ruhe.
9. Tag, Mittwoch
Tagesetmal: 125sm
Seit Azoren: 818sm
Bis Irland: 238sm
Es ist Mittag und der Verkehr nimmt deutlich zu. Wir sehen zwischenzeitlich bis zu 8 Frachtschiffe auf dem AIS. Das liegt wohl daran, dass wir uns auf der Höhe des Englischen Kanals befinden. Alle Schiffe, die aus dem Kanal kommen und nach Amerika wollen, fahren hier lang.
Es ist nebelig, sodass die Sichtweite eingeschränkt ist. Dank der Technik ist das allerdings kein Problem. Wir können unseren Kurs halten und die Frachter fahren mehrere Meilen vor oder hinter uns durch. Der Wind ist wechselhaft. Wir passen viel die Segel und die Windfahne an. Motiviert sind wir beide nicht mehr. Vor allem die Windfahne verlangt uns einiges an Geduld ab.
Ich bin langsam echt müde. So Gott will sind es noch 2 Tage. Wir hoffen aktuell Freitagabend anzukommen.
Kuriosität des Abends: Unser Tiefenmesser zeigt für 5 min eine Tiefe von ca. 20-25m an. Eigentlich ist es hier gerade noch 4000m tief. Was da wohl unter uns war?
10. Tag, Donnerstag
Tagesetmal: 119sm
Seit Azoren: 937sm
Bis Irland: 119sm
Albino Wal-Delfine 😉
Was hat es damit auf sich?
Ich gucke nach Backbord aus, weil ich ein Geräusch gehört habe und höre es erneut. Ein Walpusten. Katja steht mit auf. Ich zücke das Handy und mache ein Video. Wir sehen aber kein Wal. Da die Sonne gerade hinter den Wolken hervorkommt, sehen wir hellgraue, fast weiße Tiere knapp unter der Oberfläche. Beim Auftauchen sehen sie aus wie größere Delfine. Grau leicht meliert, die Tiere sehen dadurch irgendwie „alt“ aus. Ihr Schwimmverhalten und die Größe ist ähnlich zu großen Tümmlern. Was für Tiere das genau waren, werden wir wohl nie rausfinden.
Apropos Sonne, die Sonne scheint heute! Nach zweieinhalb Tagen Regen, Wolken und dickem Nebel fühlt es sich schön an Sonne auf der Haut zu spüren. Alles wird langsam trockener und man spürt von Minute zu Minute, dass die Stimmung steigt. Der plötzliche Stimmungsanstieg könnte aber auch daran liegen, dass wir vermutlich morgen Nachmittag/Abend ankommen.
Der Nachmittag verläuft ruhig. Die Windfahne steuert, das Groß steht im ersten Reff und wir machen stabile 5-5,5kn SoG (Speed over Ground).
Zum Abendbrot gibt es ein letztes Mal verlängerte Bratnudeln.
In den Freiwachen liegen wir eigentlich immer in der Koje und versuchen zu schlafen. Das klappt mal besser und mal schlechter.
Die Windfahne braucht ab und zu kleine Korrekturen. Ansonsten ist nicht viel zu tun. Während den Schichten haben wir also Zeit zum Schreiben, eine Serie zu gucken und die Seekarten für das Gebiet, in dem wir morgen ankommen, zu studieren.
Gegen 06:00 reffen wir das Großsegel aus. Der Wind ist etwas eingeschlafen, aber die Welle nimmt weiter zu. Wir merken, dass der Meeresboden unter uns schnell ansteigt. Die See ist kappelig und schwups zeigt unser Tiefenmesser nur noch eine Tiefe von 180m an. Wir haben ca 2-2,50m Welle gemischt mit einer Windwelle. Nach 2 Stunden nimmt die Kreuzsee etwas ab. Das Kontinentalschelf haben wir geschafft.
08:30 Land in Sicht!
11. Tag, Freitag
Tagesetmal: 104sm
Seit Azoren: 1041sm
Bis Irland: 15sm
Spannend und Erschreckend zugleich. Noch 25sm bis Fastnet. Der Wind nimmt noch mal auf gut 17-20kn zu.
Fastnet Rock: Eine kleine aber auch sehr bekannte „Insel“ (eigentlich nur ein Fels mit Leuchtturm und einem Helilandeplatz) im Süden Irlands. Es ist das Ziel für viele Rennsegler beim Fastnet Race. Details habe ich zu wenig im Kopf, als dass ich hier groß was erzählen könnte. Aber ein Bericht habe ich noch vor Augen. Ich glaube in den 70-80er Jahren gab es bei dem Race eine ganz schlimme Wetterkatastrophe, wodurch viele Segler ums Leben gekommen sind.
Eben dieser Ort Fastnet Rock soll es nun sein, den wir als erstes von Irland zu sehen bekommen. Ein spannendes und beeindruckendes Segelrevier!
Der Fels ragt steil und kahl aus dem Wasser. Die Segelbedingungen sind gut und Delfine spielen mit unserem Bug. Dem Leuchtturm kann man richtig ansehen, dass er schon so manch schweres Wetter mitgemacht hat. Die Sonne scheint und wir nutzen das gute Wetter um noch ein paar Fotos zu machen.
Um 16:19 fällt der Anker auf 5m Tiefe in der Bucht von Schull in den Sand. Es weht eine frische Brise. Waldaliegt ruhig ohne zu schaukeln im Wasser. Lediglich ein leises Plätschern am Rumpf ist zu hören.
Wir haben es geschafft! Nach 10 Tagen und 5 Stunden haben wir 1100sm Strecke zurückgelegt. Wir sind in Irland!
Wir genießen noch ein Ankommensbier zusammen mit der Tärna, bevor wir hundemüde in die Kojen fallen.